Haushaltsrede 2024 von Landrat Hans-Jürgen Petrauschke
Landrat Hans-Jürgen Petrauschke, 13.12.2023 (es gilt das gesprochene Wort)
Sehr geehrte Abgeordnete,
sehr geehrte Damen und Herren,
„Man kann keine Sozialpolitik treiben, wenn nicht eine starke, gute und ertragreiche Wirtschaft sowie die finanzielle Unterlage für die Sozialpolitik vorhanden sind.“ Dieses Zitat von Konrad Adenauer stammt aus dem Jahr 1956 – nur am Rande: Das ist auch mein Geburtsjahr. Damit hat unser erster Bundeskanzler etwas auf den Punkt gebracht, das sich ein jeder stets vor Augen führen sollte: Jeder Euro, der ausgegeben wird, muss erst einmal erwirtschaftet und eingenommen werden. Der Spruch ist genauso alt wie ich und aktueller denn je.
Investitionen im Bereich sozialer Leistungen sind nur möglich, wenn unsere Wirtschaft läuft. Genau dafür müssen wir alles tun und die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen.
Auf unserer Tagesordnung steht heute die Einbringung des Haushalts für das Jahr 2024. Das umfangreiche Zahlenwerk zeigt, welche Schwerpunkte wir setzen wollen, damit sich der Rhein-Kreis Neuss auch in Zukunft gut entwickelt. Ich werde mich auf wichtige Eckpunkte beschränken. Unser Kreiskämmerer Martin Stiller wird die Zahlen im Detail erläutern.
Eines vorweg: Der Kreis ist finanziell robust aufgestellt. Das Fundament dafür haben wir durch gute Arbeit und konsequenten Schuldenabbau in den vergangenen Jahren gelegt. Dies ermöglicht uns auch jetzt in finanziell schwierigen Zeiten einen Haushalt aufzustellen, der Rücksicht auf die Situation der Kommunen nimmt und zeigt – das sage ich auch mit Blick auf die aktuelle Diskussion im politischen Berlin rund um die Schuldenbremse –, dass eine solide Haushaltspolitik unumgänglich ist. Aber wir sind eben auch keine Insel, an der die Folgen der globalen Krisen vorbeigehen. Zumal die Herausforderungen nicht kleiner werden.
Die aktuellen Konjunkturprognosen unterstreichen, in welch ernster Situation wir sind: Deutschland ist das einzige größere Industrieland mit schrumpfender Wirtschaftsleistung. Zugleich nehmen die Anforderungen an den Sozialstaat zu. Die schwierige Spannungslage, in der sich unser Land befindet, trifft auch die kommunalen Haushalte.
Das schlägt sich auch in unserem Etat für 2024 nieder. Hinzu kommen weitere Faktoren. Neben steigenden Sozialkosten zählen unter anderem die Landschaftsumlage, IT-Kosten sowie die aufgrund der Tarifabschlüsse gestiegenen Personalkosten dazu.
Das alles bedeutet eine Mehrbelastung in Höhe von rund 30 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr. Trotz sparsamen Wirtschaftens müssen wir daher die Kreisumlage von 31,5 auf 32,5 Prozentpunkte anheben. Dies ist der drittniedrigste Stand seit der Einführung des Neuen Kommunalen Finanzmanagements in 2007. Zugleich werden wir in dieser besonderen Situation an unsere Ausgleichsrücklage gehen. Und natürlich steht in unserer Kreisverwaltung stets auf dem Prüfstand, wo Potenziale bestehen, um Kosten zu senken und Prozesse weiter zu optimieren – ohne dass dies zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger geht. Ihr Wohl steht bei uns immer im Mittelpunkt.
Das vorliegende Zahlenwerk zeigt, dass Sparsamkeit das Gebot der Stunde ist. Das bitte ich auch Sie, in Ihren Haushaltsberatungen zu beherzigen. Zudem fällt es uns – wie allen Kommunen und Kreisen – immer schwerer, für bestehende und erst recht zusätzliche Aufgaben Personal zu finden.
Daher gilt auch: EU, Bund und Länder sollten nicht immer neue Aufgaben auf die Verwaltungen abwälzen, sondern sich darauf konzentrieren, was an Vorschriften wirklich nötig ist. Wenn zusätzliche Leistungen von den Kommunen verlangt werden, dann müssen diese auch entsprechend finanziert werden. Auch hier sind Bund und Länder gefordert.
Wir vor Ort machen unsere Hausaufgaben. Der Kreis arbeitet effizient und wirtschaftlich – und bleibt dabei auch in finanziell schwierigen Zeiten aktiv. Wir richten unseren Fokus mit voller Kraft auf eine kluge Wirtschaftspolitik, die uns in Sachen Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit voranbringt. Die Unternehmen müssen bei uns die Grundlagen und Standortvorteile finden, um auch in Zukunft gut und erfolgreich wirtschaften zu können.
Dazu zählen gut ausgebildete Fachkräfte. Der Fachkräftemangel ist schon jetzt nahezu überall spürbar. Die Unternehmen in unserer Region sehen darin ein zentrales Konjunkturrisiko. Das bestätigen Umfragen – zum Beispiel der Industrie- und Handelskammer sowie unser Mittelstandsbarometer – regelmäßig.
Auch aufgrund der demografischen Entwicklung wird der Fachkräftebedarf in den nächsten Jahren aber weiter zunehmen. Daher ist es umso wichtiger, dass wir die Menschen bei uns vor Ort für die Anforderungen des Arbeitsmarktes qualifizieren. Dazu gehört, dass die jungen Menschen bei uns eine gute Ausbildung erhalten. Das fängt in der Schule an und geht weit darüber hinaus.
Moderne Unterrichtsmöglichkeiten und zeitgemäße Weiterbildungsangebote spielen dabei eine zentrale Rolle. Der Kreis beherzigt das. Wir investieren zielgerichtet in Bildung und sorgen dafür, dass unsere Berufsbildungszentren, Berufskollegs und Förderschulen beste Bedingungen bieten, damit die Menschen das Rüstzeug erhalten, das sie für ein erfolgreiches Erwerbsleben benötigen.
Zu unseren Anstrengungen in diesem Bereich gehört auch, dass wir im neuen Jahr die Trägerschaft des Theodor-Schwann-Kollegs in Neuss übernehmen. Es wird mit dem Erzbischöflichen Friedrich-Spee-Kolleg zu einem Weiterbildungsstandort zusammengeführt und damit zukunftsfest gesichert.
Damit eröffnen wir den Menschen im Kreis und darüber hinaus auf dem zweiten Bildungsweg auch künftig berufliche Perspektiven und sorgen für Fachkräfte-Nachwuchs. Bildung ist ein zentraler Schlüssel zur Gestaltung eines selbstbestimmten Lebens und ermöglicht umfassende Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Wir schaffen die Rahmenbedingungen hierfür. Davon profitieren die Menschen und die Wirtschaft gleichermaßen.
Das ist wichtig, damit unser Standort auch in Zukunft so stark bleibt wie er ist. Denn genau das ist er nach wie vor – trotz aller Krisen in der Welt. Das Anfang September vorgelegte Mittelstandsbarometer hat gezeigt, dass das regionale Konjunkturklima trotz der vielfältigen globalen und nationalen Herausforderungen im „grünen Bereich“ bleibt.
Auch bei der Arbeitslosenquote steht der Kreis mit 5,5 Prozent (November 2023) besser da als der Landes- und der Bundesschnitt. Das freut mich sehr. Aber darin liegt auch der Auftrag, in unseren Anstrengungen nicht nachzulassen und zusammen mit den Unternehmen und Akteuren wie der Agentur für Arbeit noch besser zu werden und noch mehr Menschen entsprechend zu qualifizieren und in Arbeit zu bringen.
Dass es heutzutage alles andere als einfach ist, Fachkräfte und Fachkräfte-Nachwuchs zu finden, gilt im Übrigen nicht nur für die freie Wirtschaft, sondern auch für öffentliche Verwaltungen – und zwar bundesweit. Um Fachkräfte für den Rhein-Kreis Neuss zu gewinnen, sind wir in diesem Bereich sehr aktiv unterwegs. Dazu zählt, die Menschen in ihren Lebenswelten anzusprechen und ihnen die Vorteile einer Tätigkeit in unserer modernen und zukunftsorientierten Kreisverwaltung aufzuzeigen.
Um potenzielle neue Kolleginnen und Kollegen noch besser zu erreichen, hat der Rhein-Kreis Neuss daher in diesem Jahr seine neue Kampagne „Wir machen den Kreis“ gestartet. In Videos zeigen 15 Kolleginnen und Kollegen stellvertretend für unsere 1300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wie attraktiv der Rhein-Kreis Neuss als Arbeitgeber ist. Die Kampagne ist sehr gut angelaufen, wir bekommen hierfür viele positive Rückmeldungen.
Berufliche Perspektiven bieten der Kreis und die hier ansässigen Unternehmen reichlich. Was die Menschen jedoch auch benötigen, ist preisgünstiger Wohnraum. Deshalb freut es mich sehr, dass unsere Service- und Koordinierungsgesellschaft erfolgreich gestartet ist und schon einige gute Projekte in Grevenbroich, Jüchen, Kaarst, Korschenbroich, Neuss und Rommerskirchen auf den Weg gebracht hat.
Damit setzen wir unser Ziel um, preisgünstigen Wohnraum für zum Beispiel Facharbeiter, Beschäftigte in den Gesundheits- und Pflegeberufen sowie Erzieher und Familien zu schaffen. Das ist in finanziell schwierigen Zeiten, die vielen Menschen große Sorgen bereiten, besonders wichtig.
Die Inflation und die hohen Energiepreise treffen die Bürgerinnen und Bürger empfindlich im Portemonnaie. Die Krisen der Welt und ihre Auswirkungen machen sich in allen Bereichen deutlich bemerkbar. Was für die privaten Haushalte gilt, trifft natürlich auch auf die Wirtschaft und die Kommunen zu. Die Kommunen spüren beispielsweise den starken Flüchtlingsstrom und müssen den Arbeitsaufwand und die Kosten stemmen. Vielerorts wird schon lange am Limit und darüber hinaus gearbeitet.
Eine zentrale Herausforderung unserer Region, wenn es darum geht die Wirtschaft am Laufen zu halten, ist die Jahrhundertaufgabe Strukturwandel. Wir brauchen hier noch mehr Tempo. Schließlich wollen wir unsere Region so aufstellen, dass sie auch für die nachfolgenden Generationen wachsenden Wohlstand und eine hohe Lebensqualität bietet.
Gerade unser Standort mit seiner energie-intensiven Industrie spürt, wie groß die Herausforderungen sind. Die hohen Energiepreise haben leider bereits dafür gesorgt, dass bei uns ansässige Unternehmen ihr Geschäftsmodell anpassen, ihre Produktion herunterfahren und auch Jobs streichen.
Das ist eine brandgefährliche Entwicklung, die gestoppt werden muss. Aus diesem Grund bin ich froh, dass der Kreistag kürzlich einstimmig eine Resolution beschlossen hat, mit der Bund und Land aufgefordert werden, die Rahmenbedingungen für die energie-intensiven Betriebe zu verbessern. Strom und Energie müssen bezahlbar, sicher und jederzeit verfügbar bleiben, damit die Unternehmen im internationalen Wettbewerb bestehen und weiter bei uns investieren. Das schafft Jobs, Ausbildungsplätze, Wohlstand und Lebensqualität.
Um unseren Standort zukunftsfest aufzustellen, müssen wir auch die Entwicklung der Strukturwandelflächen entsprechend voranbringen. Unsere Region soll schließlich nicht eines Tages rein musealen Charakter haben, in der man nur noch auf die Zeit des fossilen Energiezeitalters zurückblicken kann.
Im Gegenteil: Wir wollen die Strukturen für nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum schaffen, bei uns vorhandene Industrien mit ihren gut bezahlten Arbeits- und Ausbildungsplätzen sowie der damit einhergehenden Wertschöpfung vor Ort erhalten und die Ansiedlung neuer Wirtschaftsbereiche an einem auch in Zukunft modernen und attraktiven Standort ermöglichen.
Ein bedeutender Faktor ist dabei die digitale Infrastruktur, die wir weiter stärken wollen. Zukunftsfähige Gigabitnetze sind das Fundament für den Wohlstand und die Attraktivität einer Region. Für Unternehmen sind sie wichtig, um auch in Zukunft erfolgreich wirtschaften zu können. Für die Menschen sind sie zudem ein wichtiges Kriterium bei der Wahl des Lebensmittelpunkts.
Deshalb haben wir das „Reviermanagement Gigabit“ aus der Taufe gehoben. Ziel ist es, den flächendeckenden Ausbau der Gigabitnetze zügig voranzubringen, um die Ansiedlung neuer Unternehmen und die Gewinnung von Fachkräften in unserer Region zu beschleunigen. Der Rhein-Kreis Neuss übernimmt die Rolle des Initiators und Koordinators.
Zugleich werden Anreize für die Ansiedlung neuer, innovativer Branchen und Unternehmen geschaffen. Wir wollen hier als Vorbild vorangehen. An diesem Punkt setzen wir auch mit unserem Masterplan zur Ansiedlung von Digitalparks an, den wir zusammen mit dem Rhein-Erft-Kreis vorgelegt haben. Digitalparks bieten insbesondere mit der Errichtung eines Hyperscale-Rechenzentrums in Verbindung mit einem Datendrehkreuz enorme Potenziale für nachhaltiges Wirtschaftswachstum.
Unser Masterplan baut auf der 2021 vom NRW-Wirtschaftsministerium beauftragten Studie zu digitalen Infrastrukturen im Rheinischen Revier auf. Sie attestiert unseren beiden Kreisen ideale Voraussetzungen zur Entwicklung einer Digitalregion mit internationaler Strahlkraft.
Ein Grund für diesen herausragenden Standortvorteil findet sich – wie einst bei der Braunkohle – unter der Erde.
Bei uns kreuzen sich die beiden großen überregionalen Datentrassen (Amsterdam-Frankfurt, Paris-Stockholm). Wie einst die Braunkohle bietet dies ein enormes Potenzial – und das wollen wir nutzen. Allein im Rhein-Kreis Neuss können laut Masterplan bis zu 2500 neue Arbeitsplätze durch die Entwicklung von Digitalparks entstehen. Das bedeutet zugleich beträchtliche Kaufkraftgewinne für die gesamte Region. Die Digitalparks sollen dabei zu Vorzeigeprojekten im Bereich Nachhaltigkeit werden.
Das passt zu unserer Nachhaltigkeitsstrategie. Auch in Zukunft wird der Rhein-Kreis Neuss seine umfangreichen Maßnahmen in diesem Bereich weiter fortsetzen. Wir stärken unsere Fahrradinfrastruktur und setzen uns für eine weitergehende Vernetzung der verschiedenen Verkehrsmittel sowie die schnelle Umsetzung der Revier-S-Bahn und den Ausbau der S-Bahn-Linie 6 (Mönchengladbach-Grevenbroich-Rommerskirchen-Köln) ein. Darüber hinaus investieren wir in den Ausbau von Photovoltaikanlagen auf Kreisgebäuden und
-flächen und rüsten unsere Gebäude sukzessive auf hocheffiziente LED-Beleuchtung sowie unseren Fuhrpark auf E-Fahrzeuge um.
Sozial und ökologisch nachhaltig treiben wir die Gestaltung der Zukunft mit der gebotenen Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit voran. Es ist unser Ziel, die Wirtschaftsstärke und den Wohlstand in unserer Region nachhaltig zu stärken. Das gelingt am besten, wenn wir im Kreistag gemeinsam engagiert daran arbeiten. Dafür steht auch unser Haushaltsentwurf.
Bei den großen Themen haben wir im Kreistag stets verantwortungsvolle Lösungen mit oft breiten Mehrheiten gefunden. Dafür bin ich dankbar, und ich hoffe, dass uns das auch weiter gelingt.
Mein Dank gilt zudem allen, die an der Aufstellung des Haushaltsentwurfs für 2024 beteiligt waren: Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Amtsleiterinnen und Amtsleitern, den Dezernenten, unserem Kreisdirektor und ganz besonders unserer Kämmerei mit unserem Kämmerer Martin Stiller.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Wohlstand muss erarbeitet werden und darf nicht als selbstverständlich angesehen werden. Die Kreisverwaltung arbeitet mit ganzer Kraft daran, die Weichen so zu stellen, dass die Wirtschaft floriert, Arbeits- und Ausbildungsplätze schafft und so auch die Saat für unsere gewohnt starke Sozialpolitik gelegt wird. Lassen Sie uns hieran gemeinsam arbeiten.
Damit übergebe ich nun das Wort an den Kreiskämmerer, der Ihnen die Details zu den Zahlen des Haushaltsentwurfs vorstellen wird, und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.