Haushaltsrede 2025 von Kreiskämmerer Martin Stiller
Rede zur Einbringung des Haushalts 2025
Lieber Herr Landrat, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete,
die diesjährige Einbringung des Haushalts bringt etwas Besonderes mit sich. Es wird die letzte Einbringung durch unseren Landrat Hans-Jürgen Petrauschke sein. Auch unsere Kämmereileiterin Frau Rönicke nimmt heute zum letzten Mal an einer Kreistagssitzung zur Einbringung des Haushalts teil. Sie wird im Laufe des nächsten Jahres nach über 40 Jahren im Dienst des Kreises in Ihren wohlverdienten Ruhestand treten. Beide haben sich immer mit viel Leidenschaft und Energie für stabile Kreisfinanzen eingesetzt.
Als Frau Rönicke im Jahr 2008 die Amtsleitung in der Kämmerei übernahm, lag das Haushaltsvolumen des Rhein-Kreis Neuss bei 344 Mio. Euro. Für das kommende Jahr planen wir mit einem Haushaltsvolumen von 750 Mio. Euro – das entspricht einem Anstieg von nahezu 120 Prozent in der Zeit.
Per se ist ein größer werdender Haushalt aus Sicht des Kämmerers nicht verwerflich. Übernimmt der Kreis eine neue Aufgabe, beispielsweise die Trägerschaft einer Schule, sind dafür auch zusätzliche Sachmittel in den Haushalt einzustellen. Problematisch an der aktuellen Situation ist allerdings, dass der Anstieg weitgehend bei den Sozial- und Transferaufwendungen zu verzeichnen ist. Standardausweitungen bestehender Leistungen und die Einrichtung neuer Leistungen, zunehmende bürokratische Regularien, allgemeine Kostensteigerungen – insbesondere im Personalbereich – sowie eine wachsende Nachfrage führen zu einem äußerst dynamisch anwachsenden Kostenblock im Kreishaushalt, den wir maßgeblich über die Kreisumlage finanzieren müssen. Die an sich schon angespannte Finanzlage der nordrhein-westfälischen Kommunen verschärft sich Jahr für Jahr durch die starken Steigerungen im Sozialbereich und verengen immer mehr die Handlungs- und Gestaltungsspielräume vor Ort.
Für das kommende Jahr planen wir mit einem Mehraufwand von 100 Mio. Euro im Haushalt.
Die wesentlichen Einflussfaktoren sind die Landschaftsumlage, die Kosten der Unterkunft, der Sozialtransferaufwand im SGB IX und SGB XII, das Pflegewohngeld, das Personal, die Schülerbeförderung und natürlich das Rheinlandklinikum. Um es einmal klar zu sagen: Eine so große Steigerung im Haushalt gab es noch nie, sie ist historisch für unseren Kreis.
Passend erscheint mir an dieser Stelle deshalb auch eine historische Analogie: Vor kurzem war ich mit meinem Vater in Rom und habe den Albaner See besucht. Der See diente in der Antike als regulierter Speichersee. Im Jahr 398 v. Chr. bauten die Römer einen noch heute intakten, unterirdischen Abflusskanal. Damit kontrollierten sie den Wasserspiegel und ermöglichten eine gezielte Bewässerung der umliegenden landwirtschaftlichen Gebiete.
Der antike Bürgermeister des Orts entschied jedes Jahr, wie viel Wasser im Stausee zurückgehalten wurde und wie viel durch die Schleusen floss. Wurde zu viel Wasser freigegeben, war in dem Jahr zwar reichlich Wasser auf den Feldern, es fehlte dann aber in den darauffolgen Jahren. Wurde zu viel gespeichert, drohte unmittelbare Dürre.
So wie der Bürgermeister steht auch jede Haushaltsplanung vor der zentralen Herausforderung des Ausbalancierens von Gegenwart und Zukunft: Wieviel können wir uns heute finanziell leisten, wieviel möchten wir für das Morgen investieren und wieviel müssen wir für die finanzielle Stabilität der Zukunft sichern?
Meine erste Kernthese für heute lautet: Dieses Ausbalancieren und der kluge Umgang mit den vorhandenen finanziellen Ressourcen sind in unserem Land in den vergangenen Jahren ein wenig aus den Fugen geraten.
In den vergangenen zwanzig Jahren war Deutschland wirtschaftlich recht erfolgreich:
In der Folge stiegen auch die Steuereinnahmen für Bund, Länder und Kommunen immer weiter.
Die öffentlichen Haushalte sind somit ertragsseitig durchaus gut ausgestattet und eröffnen damit einen komfortablen politischen Spielraum. Allerdings haben in den vergangenen zwanzig Jahren insbesondere auch die Sozialausgaben in Deutschland, sowohl in absoluten Zahlen als auch im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt, zugenommen. Im Jahr 2000 betrugen die Sozialausgaben etwa 624 Milliarden Euro. Bis 2020 stiegen sie auf über 1.123 Milliarden Euro, was fast eine Verdopplung darstellt.
Seit geraumer Zeit reichen die eigentlich doch üppig vorhandenen Steuereinnahmen der öffentlichen Haushalte nicht mehr, diese stetig angewachsene Ausgabenlast zu decken. Es kommt abgesehen von ein paar guten Jahren in der Niedrigzinszeit regelmäßig zu einem negativen Finanzierungssaldo der öffentlichen Haushalte. Die Folge ist, dass die öffentlichen Schulden in Deutschland immer stärker zugenommen haben.
In Nordrhein-Westfalen spiegelt sich die Entwicklung der gestiegenen Sozialausgaben klar erkennbar auf der Ebene der Kommunen wider.
Zurückzuführen ist dies auf den im Vergleich zu den anderen Bundesländern hohen Kommunalisierungsgrad in NRW.
Der Landesgesetzgeber hat sich entschieden, den Großteil der Aufgabenbewältigung in der Leistungsverwaltung auf die Kommunen und hier insbesondere auf die Kreise und Landschaftsverbände zu übertragen.
Allerdings hat es das Land unterlassen, die kommunale Ebene dafür mit ausreichenden finanziellen Mitteln auszustatten. Vielmehr wurde vor Jahren der Verbundsatz, also der Anteil der kommunalen Ebene an den Steuereinnahmen des Landes, von 28,5 % auf aktuell 23 % reduziert. Bei einer nicht auskömmlichen Finanzierung der steigenden Sozialaufwendungen durch die Schlüsselmassezuweisungen des Landes bleibt dem Kreis nur der Rückgriff auf die Kreisumlage.
Vor dem Hintergrund des um 100 Mio. Euro gestiegenen Aufwands im Haushaltsentwurf 2025 erklärt sich so auch die Hebesatzsteigerung bei uns auf 35,93 Prozent. Unter dem Strich führen die auf Bundesebene verantworteten Steigerungen u.a. im Sozialbereich dazu, dass Kommunen bei uns wegen der notwendigen Anhebung der Kreisumlage in die Haushaltssicherung gehen und ihre Bürger und Unternehmen noch stärker bei Grund- und Gewerbesteuer in Anspruch nehmen müssen. Hier belegt sich, dass das eingangs angesprochene Ausbalancieren der finanziellen Spielräume aktuell nicht richtig funktioniert.
Meine zweite Kernthese für heute lautet: Wir werden im Kreis an der dargelegten strukturellen Unterfinanzierung der kommunalen Familie nichts ändern. Allerdings haben wir 1. Gleichwohl finanzielle Gestaltungsspielräume und 2. Lohnt es sich, diese auch zu nutzen.
Zu 1. Wir haben finanzielle Spielräume.
Die Kreisordnung NRW verpflichtet uns nach § 53 in Verbindung mit § 75 GO NRW zu einer wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung, bei der nach § 9 Kreisordnung NRW auch auf die wirtschaftlichen Kräfte der Gemeinden Rücksicht zu nehmen ist.
Der sparsame Mitteleinsatz bei der Bewältigung der Aufgaben ist immer wieder zu prüfen. Beim diesjährigen Haushalt haben wir verwaltungsseitig insgesamt 10 Mio. Euro eingespart im Verhältnis zu den anfangs angemeldeten Mittelanforderungen. Dies gelingt durch eine pauschale Reduzierung der Amtsbudgets um 15 %, verringerte Ausgaben bei der Bauunterhaltung, der Energie und Reinigung, dem Personal und der Informations- und Kommunikationstechnologie sowie der Kreisentwicklung, der Wirtschaftsförderung und dem Strukturwandel. Damit leisten die Fachämter bereits einen beträchtlichen Beitrag zum Sparen. Auch Sie als Politik sind herzlich aufgefordert zu prüfen, wie und wo mögliche Sparpotentiale im Haushalt liegen und wo notwendiges von wünschenswertem zu trennen ist.
Wirtschaftlichkeit im Sinne des Haushaltrechts bedeutet den Mitteleinsatz möglichst ressourceneffizient zu gestalten. Beispielsweise prüfen wir aktuell, ob die regelmäßig zu kontrollierende Hauselektrik wirtschaftlicher von eigenen oder Fremdpersonal überprüft werden kann. Hier gehen wir - die Ausschreibung ist bisher noch nicht abgeschlossen - von einem Verbesserungspotential von 600.000 Euro aus. Auch die enge Begleitung des Sanierungsprozesses des Rheinland-Klinikums durch die Verwaltung dient dem wirtschaftlichen Mitteleinsatz an jener Stelle. Ich möchte Sie wiederum herzlich ermuntern, die Frage nach der Wirtschaftlichkeit des Mitteleinsatzes – auch und insbesondere im Bereich der freiwilligen Aufgabenwahrnehmung von Kreisaufgaben – immer wieder kritisch aufzuwerfen und zu überprüfen
2. Es lohnt sich.
Wenn es uns gemeinsam gelingt, im Rahmen der Haushaltsberatungen noch Verbesserungs- und Einsparpotentiale zu heben, kommen diese unmittelbar bei den Städten und der Gemeinde sowie ihren Bürgerinnen und Bürgern und den Unternehmen vor Ort an. Wir können einen konkreten Beitrag leisten, die an sich schon hohe Abgabenlast jedenfalls im Bereich der Grundsteuer und Gewerbesteuern kleiner ausfallen zu lassen. Damit entlasten wir den Bürger und können etwas für die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts leisten – und erbringen damit im Ergebnis einen Beitrag für eine verantwortungsvolle Finanzpolitik.
Nun möchte ich noch einen kurzen Blick auf die Eckdaten des Haushalts 2025 werfen:
Insgesamt gelingt dem Kreis – so meine Auffassung – eine angemessene Lastenverteilung zwischen den Kommunen und dem Kreis.
Vor uns liegt ein herausforderndes Jahr 2025. Der Haushaltsentwurf schafft dafür gute Voraussetzungen. Bedanken möchte ich mich nun bei den Kolleginnen und Kollegen aus der Kämmerei. Sie haben sichergestellt, dass Ihnen dieses Zahlenwerk heute vorliegt. Stellvertretend danke ich Frau Rönicke.
Nun, liebe Damen und Herren Kreistagsabgeordnete, legen wir den Haushalt in Ihre Hände. Vielleicht erinnert sich der ein oder andere in den Haushaltsberatungen an meine eingangs erwähnte historische Analogie. Der Wasserstand des Albaner Sees konnte dank der umsichtigen Wasserregulierung über zweitausend Jahre konstant gehalten werden. Seit Mitte der 1990er Jahre ist der Wasserspiegel des Sees allerdings deutlich gesunken. Der Grund dafür ist der zu große Wasserverbrauch der umliegenden Kommunen bei der Bewässerung von Gärten. Möge uns eine bessere Ausbalancierung gelingen!
Ich wünsche Ihnen gute und konstruktive Beratungen, eine schöne Adventszeit und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.