Reise des Partnerschaftskomitees des Rhein-Kreises Neuss in den Kreis Mikolów - Fortsetzung des Erfahrungsaustausches zur EU-Energieunion
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Die Reise des Partnerschaftskomitees Europäische Nachbarn des Rhein-Kreises Neuss in den schlesischen Partnerkreis Mikolów vom 23. Bis 26. Juni 2017 nutzte der Rhein-Kreis Neuss auch für eine Fortsetzung des Erfahrungsaustausches zu Fragen der EU-Energieunion. Die Gruppe unter Leitung des stellvertretenden Landrates Horst Fischer und des Kreisdirektors Dirk Brügge nahm auf Einladung von Herrn Dr. Kazimierz Szynol, Direktor der TAURON Produktion AG, Kattowitz am 26.06.2017 an einem Treffen von schlesischen Energieexperten teil und besichtigte im Anschluss das Kraftwerk Jaworzno III, auf dessen Gelände zurzeit ein dritter Kraftwerksblock zur Verarbeitung von Steinkohle zu Strom entsteht.
Das Treffen in Kattowitz geht zurück auf die gemeinsame Konferenz "Die Europäische Energieunion aus regionaler Sicht" am 19.09.2016 auf Schloss Paffendorf, zu der der Rhein-Kreis Neuss mit seinem Europe Direct Informationszentrum Mittlerer Niederrhein gemeinsam mit dem Rhein-Erft-Kreis und dem Kreis Mikolów eingeladen hatte, um von einer Expertin der Europäischen Kommission über den Stand der Umsetzung der EU-Energieunion und der Revision des Europäischen Emissionshandelssystems informiert zu werden, um sich dann über die jeweilige Strategie zur Bewältigung des notwendigen Strukturwandels im rheinischen Braunkohlenrevier und in Schlesien im Zusammenhang mit der Energiewende auszutauschen. Daher hatte der Rhein-Kreis Neuss im Vorfeld der Partnerschaftsreise zwei hochrangige Experten von RWE Power AG für die Teilnahme an der Reise nach Kattowitz und den vorgesehenen Erfahrungsaustausch gewinnen können; Herr Professor Dr. Reinhold Elsen, Leiter Forschung und Entwicklung/Qualitätssicherung und Herr Dr. Gero Vinzelberg, Ingenieur Tagebauplanung, waren am Tag zuvor angereist und nahmen an der Konferenz teil.
Zu Beginn seines Vortrages hieß Herr Direktor Szynol seine Gäste herzlich willkommen und erklärte den TeilnehmerInnen, dass es in Polen vier größere Energieproduzenten gebe, von denen die TAURON Produktion AG die Drittgrößte sei. Er zeigte sich überzeugt, dass der Anteil der erneuerbaren Energien zunehmen werde, dennoch stehe schon jetzt fest, dass in Polen auch in 2050 noch Steinkohle mit einem Anteil von 50% für die Energieerzeugung zuständig sein werde, d.h. Steinkohle bleibe auf Jahrzehnte die entscheidende Energiequelle. In Polen gebe es zurzeit 100.000 Arbeitsplätze in der Energiegewinnung.
Die Diskussion hinsichtlich der Energiewende in Polen sei in vollem Gange und gestalte sich schwierig, denn es gebe einerseits eine Diskussion über die mögliche Errichtung von Kernkraftwerken, die keine große Akzeptanz unter der Bevölkerung finden würden, andererseits nehme aber die Zustimmung zu den Kohlekraftwerken ab.
Im Zusammenhang mit dem sog. "Winterpaket" der Europäischen Kommission (siehe hierzu ausführlichen gleichnamigen Bericht unter EU-Aktuell vom 22.12.2016) betonte Dr. Szynol die Erwartung Polens, an der Beschlussfassung über die Energieregelungen wesentlich mitwirken zu können, dies gelte insbesondere für die Aufteilung der prozentualen Nutzung der verschiedenen Energiequellen. Außerdem wolle Polen die Energieziele zu geringstmöglichen Kosten erreichen.
In seinem anschließenden Vortrag informierte Herr Professor Elsen über die Energiesituation und die Energiewende in Deutschland sowie die Positionierung von RWE Power. Zu Beginn machte er auf die schwierige Situation für die Energieerzeugungsunternehmen in Deutschland aufmerksam. Die Bundesregierung habe vorgegeben, dass bis zum Jahr 2050 die Erneuerbaren Energien einen Anteil von 80% an den Energiearten haben und dass 25% an Energieverbrauch eingespart werden müssten. Hier sehe er das Problem, dass keine verlässliche Prognose bei den Erneuerbaren Energien möglich sei, lediglich die Energiegewinnung aus Wind sei zu 5% als sicher einzustufen. Eine grundlegende Sicherung der Energieversorgung könne auf vier Wegen erfolgen:
- Grids (Bau von Stromleitungen); grenzüberschreitende Netze seien vorhanden, doch fehle in der Bevölkerung die Akzeptanz
- Smart technologies (energieeffiziente Haushaltsgeräte)
- Electricity storage (Lagerung von Energie)
- Unterhaltung konventioneller Kernkraftwerke (CPP), diese seien billiger zu unterhalten und für die Energieversorgung in der Zukunft unerlässlich, da die stetige Versorgung mit Erneuerbaren Energien nicht zu garantieren sei. Von dem gesamten Kraftwerkspark in Deutschland müsste auf absehbare Zeit 70%der Kraftwerke erneuert werden, denn viele seien älter als 30 Jahre.
Die RWE Power AG habe 12 Mio. Euro in Konventionellen Kernkraftwerken in Deutschland investiert (u.a. Grevenbroich, Hamm, Emsland) und unterhalte 9 Gasturbinen-Kraftwerke in Großbritannien und 6 in den Niederlanden. In Nordrhein-Westfalen stehe das BoA-Vorzeigekraftwerk in Grevenbroich-Neurath und der Antrag auf Bau eines BoA+-Kraftwerks in Grevenbroich-Niederaußem sei gestellt. Der Bau werde nur kommen, wenn es auch eine Sicherheit für die weitere Nutzung von Braunkohle geben werde, der Bau werde ca. 4 bis 5 Jahre in Anspruch nehmen.
Zu den Auswirkungen des Baus des BoA+-Kraftwerks führte Herr Dr. Vinzelberg aus, dass RWE bei einer Fertigstellung 4-5 alte á 300MW-Blöcke abschalten werde. Durch die Leitentscheidung der NRW-Landesregierung, den Tagebau zeitlich zu verkürzen, würden 300 bis 400 Mio. Tonnen weniger Braunkohle abgebaut als ursprünglich geplant, dies führe zu einer Reduzierung von CO2 zwischen 40 und 50% bis 2030.
Zudem unterhalte RWE ein Kohleforschungszentrum (Innovationszentrum Kohle) in Grevenbroich-Neurath, wo u.a. die Kohle in Gas verflüssigt werde.
Zum Thema Reduzierung CO2 führte Herr Professor Elsen aus, dass eine Speicherung für die nächsten 100 Jahre in der Nordsee technisch möglich sei. Zu den aktuellen Diskussionen auf EU-Ebene zur Reform des Emissionshandelssystems verwies Herr Professor Elsen auf unterschiedliche Positionen der EU-Organe und der EU-Mitgliedstaaten untereinander. Der Vorschlag von RWE sei eine friedliche Koexistenz von Konventionellen Kraftwerken und Erneuerbaren Energien, denn dadurch sei eine 60prozentige Reduzierung von CO2 möglich. Bereits jetzt funktioniere in jedem EU-Mitgliedsland das sog. "Käseglockenprinzip", d.h. eine Zuteilung von jeweiligen Länderzielen und eine landesspezifische Verteilung des CO2-Ausstosses auf alle vorhandenen nationalen Kraftwerke.
Herr Dr. Szynol informierte die Delegationsmitglieder, dass es in Polen keine Probleme mit der Trennung von CO2 gebe, dagegen stelle der Transport und die Einlagerung eine große Herausforderung dar. Es werde dennoch keine Abkehr von der Steinkohle in seinem Land geben.
Zum Abschluss des Erfahrungsaustausches schlug Herr Professor Elsen vor, einen grenzüberschreitenden Expertendialog zwischen Deutschland, Polen und den Niederlanden zwecks Erforschung der verschiedenen Verwendung von CO2 zu starten.
Nach dem Vortrag folgte für die Delegation die Führung über das Gelände, auf dem zurzeit der dritte Kraftwerksblock zur Verstromung von Steinkohle errichtet wird. Herr Dr. Syznol erläuterte den Gästen, dass die TAURON Produktion AG für den Bau Fläche dazu gekauft habe und man mit einer Fertigstellung 2019 rechne. Die Kosten für den Bau betrügen insgesamt 1,4 Mrd. Euro und die Energieeffizienz werde bei 45,91% (Anteil der erzeugten nutzbaren Energie zur eingesetzten Energie) liegen.
Am Ende des Vormittags dankte Kreisdirektor Brügge für die Organisation und Einladung zu dem Fachforum und machte den Vorschlag, den Erfahrungsaustausch im kommenden Jahr im Rhein-Kreis Neuss fortzusetzen; es müsse gelingen, im Verbund auch mit Europäischer Kommission und Umweltverbänden zu einer Verständigung zu kommen und einen für die Energiewirtschaft machbaren Umwandlungsprozess Richtung Energiewende zu erzielen.
Wichtiger Hinweis: Sie sehen eine Archivseite. Diese Informationen geben den Stand des Veröffentlichungstages wieder (30.06.2017) und sind möglicherweise nicht mehr aktuell.