Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2013/2014
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Am 23. Oktober 2012 hat die Europäische Kommission das Arbeitsprogramm für das Jahr 2013 und das 1. Halbjahr 2014 vorgelegt. In diesem führt sie unter sieben Überschriften ihre Ziele und zu treffende Maßnahmen für die nächsten 18 Monate auf. Erstmalig reicht das Arbeitsprogramm noch in das übernächste Jahr; Grund ist, dass mit der anstehenden Europawahl auch die Legislaturperiode des Europäischen Parlaments sowie die Amtszeit der Europäischen Kommission endet (Amtszeiten der EU-Organe sind bewusst aufeinander abgestimmt).
In ihrem Vorwort macht die Europäische Kommission deutlich, was im Zuge der noch immer andauernden Krise um die Staatsfinanzen einiger Euroländer und der damit einhergehenden Wirtschaftskrise zu tun ist: "Die Wirtschaftskrise meistern und die EU wieder auf einen von Nachhaltigkeit geprägten Wachstumspfad zurückführen, so lautet das Gebot der Stunde. Darin besteht die vordringlichste Aufgabe für die jetzige Generation von Europäern". Um diese Herausforderungen bewältigen zu können, brauche die EU stabile makroökonomische Verhältnisse, die durch eine echte Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) geschaffen werden können und radikale wirtschaftliche Veränderungen. Als Konsequenz habe Kommissionspräsident José Manuel Barroso in seiner Rede zur Lage der Union am 12. September 2012 ein Umdenken angemahnt. "Europa braucht eine neue Ausrichtung. Europa braucht eine neue Denkweise. Wir müssen damit aufhören, die Fragen der Zukunft weiterhin mit den Instrumenten der Vergangenheit anzugehen. Die Globalisierung erfordert eine größere europäische Einheit. Eine größere Einheit fordert eine stärkere europäische Demokratie". In seiner Rede vor dem Europäischen Parlament legte der Kommissionspräsident dar, dass die wichtigste Aufgabe die Stabilisierung des Euroraums sei. Daher müsse es zu einer echten Wirtschafts- und Währungsunion kommen, die als Fundament eine politische Union habe.
Diese Vision soll bereits mit dem Arbeitsprogramm 2013/2014 straff angegangen werden. Das Hauptaugenmerk werde die Europäische Kommission der Umsetzung der Mehrjährigen Finanzplanung im Bereich der EU-Kohäsionspolitik (Finanzielle Förderung der Regionen in den EU-Mitgliedstaaten durch verschiedene Programme und Schwerpunkte) widmen und hierbei auch die länderspezifischen Empfehlungen nutzen, um ein einheitliches EU- und nationales Vorgehen zu sichern.
Die sieben Maßnahmen
1. Das richtige Fundament schaffen: der Weg zu einer echten Wirtschafts- und Währungsunion
Die Europäische Kommission macht zu Beginn des Kapitels deutlich, dass ihrer Ansicht nach Europas Stärke in der Vernetzung seiner Volkswirtschaften liegt. Die Krise habe gezeigt, dass der Binnenmarkt auf dem Gebiet der Finanzdienstleistungen nur dann Finanzstabilität, Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze garantieren könne, wenn er durch eine einzige starke Regulierungs- und Aufsichtsbehörde auf EU-Ebene ergänzt werde. Der nächste Schritt müsse daher darin bestehen, die Wirtschafts- und Währungsunion durch eine vollwertige Banken- und Fiskalunion zu vertiefen. Der EU fehle zurzeit noch ein umfassender Regulierungsrahmen, wie ein einheitlicher Aufsichtsmechanismus für Banken und ein einheitliches Regelwerk für Banken und alle übrigen Finanzinstitute. Gleichzeitig sei die Umsetzung der bereits beschlossenen Mechanismen zur Vorbeugung/Korrektur einer nicht nachhaltigen Fiskalpolitik sowie weitere Maßnahmen notwendig, um den Weg der Konsolidierung erfolgreich weiterzugehen. Zudem sei eine Abstimmung in der Steuerpolitik wichtig. Unter diesem Kapitel führt die Europäische Kommission folgende Maßnahmen auf:
- Jahreswirtschaftsbericht 2013 und damit Einleitung des Europäischen Semesters (einschließlich der länderspezifischen Empfehlungen an die EU-Mitgliedstaaten zu Themen wie Beschäftigungs- und Arbeitsmarkt, öffentliche Finanzen)
- Veröffentlichung von Plänen für eine weitere Ausgestaltung einer vollständigen, echten WWU weiter ausgestalten noch vor Ende 2012
- Zusätzliche Rechtsakte die die Stabilität, die Transparenz und den Verbraucherschutz im Finanzsektor weiter erhöhen sollen
- Ergreifung von Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung
2. Förderung der Wettbewerbsfähigkeit durch den Binnenmarkt und die Industriepolitik
Nachhaltiges Wachstum und eine erfolgreiche Beschäftigungsförderung erfordern ein stabiles makroökonomisches Umfeld, dies müsse kombiniert sein mit der Fähigkeit, im globalen Wettbewerb zu bestehen, konstatiert die Europäische Kommission einleitend und stellt fest, dass der Binnenmarkt weiterer Anpassungen bedürfe, damit Unternehmen und Verbraucher das Potenzial voll ausschöpfen könnten.
Zur Vollendung des Binnenmarktes will die Europäische Kommission die in der Binnenmarktakte II (siehe hierzu Artikel unter "EU-Aktuell" vom 25.10.2012) genannten Maßnahmen zu den dort vier aufgeführten Motoren Netze, Mobilität, digitale Wirtschaft und Zusammenarbeit zügig vorantreiben und führt u.a. folgende weitere Maßnahmen auf:
- Initiativen zur Anpassung der Mwst.-Vorschriften und zur Senkung der Befolgungskosten durch Einführung einer einzigen Mwst.-Erklärung
- Ein Legislativvorschlag mit Modellcharakter für andere Sektoren, der die elektronische Rechnungsstellung im öffentlichen Beschaffungswesen zur Pflicht macht
- Initiativen zur Aktualisierung und Vereinfachung der Vorschriften zum freien Warenverkehr im Binnenmarkt
- Eine Initiative zu Technologien und Innovationen im Energiesektor zur Gewährleistung einer nachhaltigen, sicheren und wettbewerbsfähigen Energieversorgung
- Eine weitreichende Modernisierung des Beihilferechts
- Eine wirkungsvolle und verbraucherfreundliche Anpassung zu Fragen des geistigen Eigentums, die den Erfordernissen des digitalen Zeitalters gerecht wird
- Umsetzung der Energieeffizienzrichtlinie und der Gesetzgebung in den Bereichen Energiekennzeichnung und Ökodesign
- Umsetzung der Strategie in Bezug auf Schlüsseltechnologien
- Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen bei der Kapitalbeschaffung
- Förderung von Qualifikationen im Rahmen des Europäischen Sozialfonds, die den Erfordernissen für den Übergang Schule Arbeitswelt und einer besseren Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt gerecht werden
3. Sich vernetzen, um wettbewerbsfähig zu bleiben: Heute die Netze von morgen schaffen
Ein vollständig integrierter und vernetzter Binnenmarkt in den Bereichen Telekommunikation, Energie und Verkehr ist nach Ansicht der Europäischen Kommission Vorbedingung für Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung und Wachstum. Voraussetzung hierfür sei eine bezahlbare, zugängliche, effiziente und sichere Netzinfrastruktur. Dazu gehöre der beschleunigte Ausbau der digitalen Wirtschaft, umfangreiche Investitionen in Strom- und andere Energienetze.
Als Hindernisse für den EU-weiten Ausbau der Netze sieht die Europäische Kommission national geprägte Strategien, mangelnde Interoperabilität und Infrastrukturlücken. Daher will die Europäische Kommission folgende Vorschläge in der kommenden Zeit machen:
- Modernisierung der europäischen Verkehrssysteme und Logistik, d.h. Vorschläge für den Schienen- und Güterverkehr, zur Frachtgutbeförderung zwischen EU-Häfen und zu einem einheitlichen europäischen Luftraum
- Beseitigung der Hindernisse im elektronischen Zahlungsverkehr
- Förderung von Investitionen in Hochgeschwindigkeitsnetze
- Stärkere Anreize für eine flächendeckende Versorgung mit leistungsfähigen Breitbandnetzen (Senkung der Kosten und Freigabe von Bandbreiten)
Zum letzten Punkt zählt die Europäische Kommission vor allem die Faszilität "Connecting Europe" (hat ein Budget von 40 Mrd. € + 10 Mrd. € aus dem EU-Kohäsionsfonds für große Infrastrukturprojekte in den Bereichen Transport, Energie und Informations- und Kommunikationstechnologien) zu den wichtigsten Infrastrukturmaßnahmen und deren rechtzeitige Umsetzung in 2013. Zur Finanzierung der Investitionen soll ab 2013 auch der Einsatz der von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Projektbonds klar geregelt sein, die vor allem der Mobilisierung von privatem Kapital dienen.
4. Beschäftigungswirksames Wachstum: Integration und Exzellenz
Die jetzige Krise ist vor allem von hoher Arbeitslosigkeit und zunehmender Armut geprägt. Die Europäische Kommission will zur Bekämpfung der Krise eine aktive Beschäftigungspolitik der EU-Mitgliedstaaten unterstützen, vor allem sollen innovative, auf die Bedürfnisse der modernen Arbeitswelt ausgerichtete Qualifizierungsmaßnahmen helfen, mehr Menschen Bildungsabschlüsse und damit Arbeitsplätze zu beschaffen (vor allem in den Bereichen Ökowirtschaft, Informations- und Kommunikationstechnologien = IKT sowie Gesundheits- und Sozialfürsorge). Zudem müsse sich in der EU noch die Erkenntnis durchsetzen, dass ältere Arbeitnehmer länger im Erwerbsleben bleiben müssten. Auch seien leichter zugängliche soziale Dienstleistungen notwendig. Vor allem die hohe Arbeitslosigkeit stelle staatliche Arbeitsvermittlungsdienste und Arbeitgeber gleichermaßen vor große Probleme. Außerdem gebe es auch immer noch Probleme bei der gegenseitigen Anerkennung von Qualifikationen und Abschlüssen.
Weiter bemängelt die Europäische Kommission, dass die Hochschulbildung immer noch nicht ausreichend mit Forschung und Innovation verbunden sei, so dass der Aufbau von neuen Arbeitsbereichen behindert werde.
Aufbauend auf ihren beiden Initiativen "Jugendgarantie" und "Praktika" (jeder Jugendliche soll innerhalb von wenigen Monaten ein Praktikumsplatz oder eine Ausbildungsstelle oder einen Arbeitsplatz erhalten) will die Europäische Kommission folgende Vorschläge unterbreiten:
- Unterstützung bei der Verbesserung der Leistungsfähigkeit der staatlichen Arbeitsvermittlungen und der Vernetzung der staatlichen Arbeitsagenturen
- Überarbeitung der Richtlinie für die grenzüberschreitende Anerkennung von Berufsqualifikationen
- Zügige Ausarbeitung der neuen Programme, die durch den Europäischen Sozialfonds finanziell gefördert werden sollen (z.B. "Erasmus für alle")
5. Mehr Wettbewerbsfähigkeit durch Europas Ressourcen
In diesem Bereich mahnt die Europäische Kommission eine höhere Ressourceneffizienz (Recycling und Wiederverwertung von Abfällen) an und schlägt vor, dass die EU-Mitgliedstaaten besonders erfolgreiche Verfahren voneinander übernehmen. Eine höhere Ressourceneffizienz würde nach Überzeugung der Europäischen Kommission zu mehr Wachstum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit führen, die Unternehmen von Kosten entlasten, durch eine Senkung der Treibhausgasemissionen Gesundheit und Umwelt befördern und neue Möglichkeiten für Innovationen und Investitionen schaffen.
In diesem Zusammenhang stellt die Europäische Kommission fest, fehle es auch an einem langfristigen Rahmen für die Klima- und Energiepolitik über 2020 hinaus und für die Nutzung wichtiger Ressourcen wie Luft, Boden, Energie, Wasser, Fisch und Biomasse. Daher will sie Vorschläge machen für:
- Einen umfassenden Rahmen für die Klima- und Energiepolitik bis 2030
- Eine neue Klimastrategie zur Anpassung an den Klimawandel
- Die Überarbeitung der Abfallvorschriften
- Eine Anpassung der EU-Rahmenvorschriften für Luftqualität
- Eine Erneuerung der Agrar- und Fischereipolitik und der Programme für die regionale und ländliche Entwicklung
- Eine Förderung einer ressourceneffizienten "blauen Wirtschaft", die die Wachstumspotentiale im Zusammenhang mit den europäischen Meeresgebieten freisetzt
6. Errichtung eines sicheren und geschützten Europa
Es sei das erklärte Ziel der EU, ihre BürgerInnen und deren Rechte vor Bedrohungen zu schützen und den freien Verkehr der BürgerInnen in Europa weiter zu erleichtern. Dazu gehöre die Bekämpfung der Kriminalität und Korruption, die Kontrolle der Außengrenzen und die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte, wobei für ein Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Mobilität gesorgt werden müsse. Für die Wirtschaft sei ein funktionierendes Justizsystem von entscheidender Bedeutung. Weiterhin gehe es um die Reduzierung von Gefahren für die Gesundheit, die Sorge um die Lebensmittel- und Produktsicherheit und die sichere Nutzung der Kernenergie.
Zur Umsetzung dieser Ziele sei ein möglichst schneller und wirksamer Katastrophenmechanismus und eine vertiefte Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der zunehmenden grenzüberschreitenden Terrorismusfinanzierung notwendig (wobei der Terrorismusbekämpfung und dem grenzüberschreitenden Waffenhandel besondere Aufmerksamkeit zukommen müsse). Die EU selber müsse sich für den Schutz ihrer finanziellen Interessen vor Betrug und Korruption schützen. Zu diesem Bereich schlägt die Europäische Kommission folgende Initiativen vor:
- Einrichtung einer europäischen Staatsanwaltschaft zur Bekämpfung des Missbrauchs von EU-Geldern
- Bekämpfung des Handels mit Schusswaffen
- Verbesserung der justiziellen Zusammenarbeit in Straf- und Zivilsachen
- Überarbeitung der Rechtsvorschriften über die Sicherheit der Kernenergie und Vorschlag neuer Maßnahmen zur Versicherung und Haftung im Kernenergiebereich
- Prüfung des Berichts über die Unionsbürgerschaft (anlässlich des Europäischen Jahres der Bürgerinnen und Bürger 2013), welche Fortschritte bei der Um- und Durchsetzung der EU-Bürgerrechte gemacht wurden und welche Maßnahmen noch zur Verbesserung notwendig sind
- Initiativen zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen nationalen Verwaltungen und Justizbehörden
7. Unser Gewicht zur Geltung bringen: Europa als globaler Akteur
Die EU ist der größte Geldgeber für Entwicklungszusammenarbeit, Klimaschutz und humanitäre Hilfe in der Welt. Es müsse das Ziel für die kommenden Jahre sein, diese Ressourcen effektiv in der Nachbarschaftspolitik und im Erweiterungsprozess einzusetzen. Dies trage zu mehr Wachstum, Stabilität und Demokratie, helfe bei der Bekämpfung der Armut und der Friedenssicherung sowie des Klimawandels und sei Grundlage für verbesserte Möglichkeiten für eine internationale Zusammenarbeit in den Bereichen Wissenschaft und Technologie.
Gleichzeitig verfolge die EU ehrgeizige Pläne für auswärtige Investitionen und bilateralen Handel und verweist auf Verhandlungen mit wichtigen Partnern wie Kanada, Singapur und Indien, die kurz vor dem Abschluss stünden; mit Japan sollten in Kürze entsprechende Verhandlungen aufgenommen werden. Mit den USA plant die Europäische Kommission eine umfassende transatlantische Partnerschaft. Für die EU seien Japan und die USA wichtige Partner, da erfolgreiche Verhandlungen zu einer Steigerung des BIP der EU um 1-1,5% bewirken und fast eine Million Arbeitsplätze schaffen könnten, denn erfolgreiche Abschlüsse könnten neue Märkte für europäische Produkte und Dienstleistungen erschließen.
Im kommenden Jahr will die Europäische Kommission im Zuge der Erweiterungspolitik einen Schwerpunkt auf die Rechtsstaatlichkeit legen, in der Nachbarschaftspolitik sollen Freihandelszonen, Mobilitätspartnerschaften und Visaerleichterungen Priorität haben.
Im Hinblick auf den im Jahr 2015 stattfindenden Gipfel zu den Milleniums-Entwicklungszielen arbeite die Europäische Kommission an der Erfüllung ihrer Verpflichtungen zur Entwicklungshilfe. Außerdem setzte sie laufende Verhandlungen zur Erreichung eines neuen internationalen Klimaübereinkommens fort.
Im Jahr 2013 wolle die Europäische Kommission ferner neue außenpolitische Instrumente erarbeiten, die als Grundlage für eine Schwerpunktsetzung in den Verhandlungen zu Entwicklungsländern auf verantwortungsvolle Staatsführung, integratives und nachhaltiges Wachstum und die Förderung von Investitionen legen werde.
Schließlich strebt die Europäische Kommission die Entwicklung eines umfassenden Konzepts für die Verhütung, das Management und die Bewältigung von Krisen an.
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