Die EU-Unionsbürgerschaft – wichtige und umfangreiche Rechte für alle Bürgerinnen und Bürger in den 27 EU-Mitgliedstaaten
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Die Unionsbürgerschaft gehört zu den wichtigsten Errungenschaften der Europäischen Union und der Europäischen Einigung; sie wurde am 01. November 1993 mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Maastricht eingeführt und hat damit über 30 Jahre Gültigkeit. Die Unionsbürgerschaft gewährt allen Bürger/innen in den 27 EU-Mitgliedstaaten zahlreiche Rechte mit direkten Auswirkungen auf ihr privates und Berufsleben. Damit verfügen Menschen über eine Reihe von zusätzlichen Vorteilen und Rechten, die sich von denen unterscheiden, die sie durch die Staatsangehörigkeit in ihrem eigenen Land haben.
Am 06.12.2023 legte die Europäische Kommission den alle drei Jahre vorgeschriebenen Fortschrittsberichts über die Unionsbürgerschaft vor und veröffentlichte anlässlich des 30. Jahrestags der Einführung auch eine Flash-Eurobarometer-Umfrage zur Unionsbürgerschaft und Demokratie. Im Zeitraum April bis Mai 2023 wurden 25.722 Personen ab 15 Jahren aus allen EU-Mitgliedstaaten telefonisch befragt und gaben folgende Antworten:
87 Prozent der Befragten fühlen sich als EU-Bürger/in,
93 Prozent, also eine überwältigende Mehrheit weiß, dass sie gleichzeitig Bürger/in des eigenen Wohnsitzlandes und der EU ist,
74 Prozent wissen, dass sie keinen Antrag stellen müssen, um EU-Bürger/in zu sein,
50 Prozent der Interviewten antworteten, dass sie sich gut über ihre EU-Bürgerrechte informiert fühlen,
89 Prozent und damit eine große Mehrheit schätzt persönlich vor allem das Recht auf Freizügigkeit innerhalb der EU und 83 Prozent sind der Ansicht, dass die Freizügigkeit der Wirtschaft zugutekommt.
Die Unionsbürgerschaft stellt ein einzigartiges Konzept dar; sie gewährt Freiheits- und Schutzrechte sowie das Recht auf demokratische Teilhabe. Was bedeutet das konkret: Dass Sie in einem anderen Land eine Ausbildung machen, studieren, arbeiten und leben können, ohne eine schriftliche Erlaubnis haben zu müssen, dass Sie aktiv (als Kandidat/in) und passiv (wählen gehen) an den Kommunal- und Europawahlen teilnehmen können. Das bedeutet, eine Fülle von Verbraucherschutzrechten zu haben und zusätzlich das Recht, sich zu Rechtsvorschlägen der Europäischen Kommission äußern zu können. Gerade in den derzeitigen weltpolitisch krisenhaften und immer wieder verunsichernden Zeiten ist es wichtig, sich die Zugehörigkeit zu der Union von 27 Mitgliedstaaten, die den EU-Werten und der Grundrechtecharte verbunden sind, zu verdeutlichen und auf die Unionsbürgerrechte zu vertrauen.
Gemeinsame EU-Grundwerte: Art. 2 EUV und Charta der Grundrechte als Wertefundament
In Art. 2 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) sind die Werte festgelegt, auf denen die EU und damit auch die Unionsbürgerschaft beruht; dies sind „…die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören“. Dies bedeutet, dass jede Bürgerin und jeder Bürger in den 27 EU-Mitgliedstaaten, dieselben (Schutz-)Rechte und Möglichkeiten der Entfaltung hat, wie alle anderen Menschen in den EU-Ländern; dies ist die Bewahrung der europäischen Lebensweise in Vielfalt. Das EU-Recht schützt insbesondere vor Diskriminierung aufgrund des Geschlechts oder der ethnischen Herkunft in den Bereichen Beschäftigung, Bildung, Zugang zu Dienstleistungen, Sozialschutz und gewährt soziale Vorteile.
Der zweite bedeutsame Baustein zur Stärkung der Unionsbürgerschaft ist die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die seit dem 01. Dezember 2009 Bestandteil des Vertrags von Lissabon ist und damit Rechtskraft erlangt hat. Die Charta (Art.21) zählt die Rechte und Freiheiten auf, die von der EU und den EU-Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des EU-Rechts geschützt werden müssen. Gemäß der Charta hat jeder Mensch in der EU das Recht auf Gleichbehandlung, unabhängig von Geschlecht, Rasse, Hautfarbe, ethnischer oder sozialer Herkunft, genetischen Merkmalen, Sprache, Religion oder Weltanschauung, Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, Vermögen, Geburt, Behinderung, Alter oder sexueller Ausrichtung.
Die Rechte zusammengefasst - die EU-Bürger/innen:
Dürfen nicht aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit diskriminiert werden, d.h. der Zugang zu Dienstleistungen, sozialen Rechten, Bildung und Beschäftigung darf nicht verwehrt werden, weil die Staatsangehörigkeit nicht die des Wohnsitzlandes ist.
Haben innerhalb der 27 EU-Mitgliedstaaten das Recht auf Freizügigkeit, dies bedeutet das Recht auf Reisen, in einem anderen EU-Mitgliedsland zu leben, eine Ausbildung zu machen, zu studieren und/oder einer Arbeit nachzugehen ohne dass ein Visum oder eine Aufenthaltserlaubnis beantragt werden muss; auch Familienangehörige haben das Recht, in das betreffende EU-Mitgliedsland mitzukommen, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit. Allerdings müssen bestimmte Bedingungen erfüllt werden, wenn der Aufenthalt länger als drei Monate dauert (z.B. bei einem Studium), wie z.B. eine behördliche Anmeldung, der Nachweis eines regelmäßigen Einkommens und einer Krankenversicherung.
Bei einer Reise in ein anderes EU-Mitgliedsland steht jeder/jedem EU-Bürger/in das Recht zu, eine Gesundheitsversorgung gemäß den Bedingungen der Versicherten in dem EU-Gastland zu erhalten, dafür müssen gesetzlich Versicherte lediglich die Europäische Versicherungskarte vorlegen (Rückseite der Krankenversichertenkarte); dadurch entstehen in der Regel keine Kosten, weil die Krankenkassen die erbrachten (Krankenhaus-)Behandlungen untereinander abrechnen. Für Privatversicherte gilt, was im Vertrag über Krankenbehandlungen im (EU-)Ausland vereinbart wurde. Ausführliche Informationen über die unterschiedlichsten Konstellationen finden Sie in der Broschüre der Europäischen Kommission: „Leitfaden für Patienten – Das Recht von Patienten auf Zugang auf Gesundheitsversorgung in den EU-/EWR-Ländern“.
Kommen in allen EU-Mitgliedstaaten in den Vorteil umfangreicher Verbraucherrechte, die die Europäische Kommission in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament beschlossen hat; hierzu gehören z.B. das Roaming, Schutzregelungen bei online-Einkäufen.
Können bei den Wahlen zum Europäischen Parlament und den Kommunalwahlen auch in dem Land, in dem sie gerade wohnen (auch wenn es nicht das Herkunftsland ist) wählen und selbst kandidieren gemäß denselben Bedingungen wie die Staatsangehörigen des Wohnsitzlandes. In Deutschland setzt eine passive Wahlberechtigung zu den Europawahlen voraus, dass sich der Wohnsitz seit mindestens drei Monaten in Deutschland befindet und auf Antrag bei der Gemeinde/Stadt eine Eintragung in das Wählerverzeichnis erfolgt ist. Wer selbst als Europaabgeordnete/r kandidieren will, kann dies allerdings nicht als Einzelperson, sondern muss in Deutschland von einer Partei aufgestellt werden.
Haben das Recht auf konsularischen Schutz, wenn sie sich in einem Nicht-EU-Mitgliedstaat aufhalten, d.h. sollte sich in einem Land außerhalb der EU ein Vorfall/Notfall ereignen, der Unterstützung unterschiedlichster Art erfordert und das Heimatland hat keine Botschaft oder kein Konsulat in dem betreffenden Land, können sich Bürger/innen an eine Botschaft oder ein Konsulat eines anderen EU-Mitgliedslands wenden.
Können eine Europäische Bürgerinitiative starten oder diese durch Unterschrift unterstützen und damit die Europäische Kommission auffordern, auf einem (Rechts-)Gebiet, das in ihrer Kompetenz liegt, aktiv zu werden. Dieses Vorhaben ist jedoch in seiner Umsetzung komplex und erfordert als erste Bedingung die Bildung einer Gruppe von sieben Bürger/innen aus sieben EU-Mitgliedstaaten.
Können bei öffentlichen Konsultationen der Europäischen Kommission zu EU-Themen ihre Meinung und Vorschläge einbringen und zu EU-Strategien und geplanten Rechtsvorschriften Stellung nehmen.
Hinweis: Das Portal „Ihre Meinung zählt“ bündelt die online-Bürgerbeteiligung. Es verbindet die Portale zu den öffentlichen Konsultationen, die web-site der Europäischen Bürgerinitiative und die interaktive Plattform für die Bürgerbeteiligung. Um hier einen Beitrag einstellen zu können, ist zu Beginn eine einfache Registrierung erforderlich (Angabe von Name und E-Mail-Adresse).
Können sich als Einzelperson mit einem Antrag oder einer Petition an das Europäische Parlament wenden und ein gewisses Anliegen vorbringen; dieses Recht haben auch Unternehmen und Vereinigungen mit Sitz in einem EU-Mitgliedsland, wobei die Staatsangehörigkeit keine Rolle spielt. Voraussetzung ist, dass es um EU-Recht/-Handeln geht und eine persönliche Betroffenheit nachgewiesen werden kann, die Einreichung kann online oder per Post erfolgen.
sich beim Europäischen Bürgerbeauftragten über das (Nicht-)Handeln oder das falsche Handeln einer EU-Institution beschweren, der dann prüft, ob ein fehlerhaftes Verfahren, eine ungerechte Behandlung, eine Diskriminierung, ein Machtmissbrauch oder das Fehlen oder Verweigern von Informationen vorliegt; auch Unternehmen, Verbände, Kommunen, Nichtregierungsorganisationen mit Sitz in einem der 27 EU-Mitgliedstaaten können eine Beschwerde einreichen. Die Beschwerde kann erst eingereicht werden, wenn zuvor mit der EU-Einrichtung nach einer Lösung gesucht wurde, noch keine rechtlichen Schritte eingeleitet wurden und die Angelegenheit nicht länger als zwei Jahre zurückliegt.
Können sich mit einer Frage an jedes EU-Organ (z.B. Europäische Kommission, Europäisches Parlament) wenden mit dem Recht, eine Antwort in ihrer Muttersprache zu erhalten. Alle EU-Organe unterhalten online-Dokumentenregister mit Informationen zu Dokumenten und Kontaktdaten, auf die im Internet zugegriffen werden kann.