Europäische Kommission empfiehlt Klimaziel von 90 Prozent weniger CO2-Emissionen bis 2040
Europa |
Am 06. Februar 2024 hat die Europäische Kommission ein neues Reduktionsziel für die Nettotreibhausgasemissionen vorgeschlagen: Im Einklang mit dem Gutachten des Europäischen Wissenschaftlichen Beirats und den übernommenen Verpflichtungen der EU im Rahmen des Pariser Klimaübereinkommens für das Jahr 20240 will sie die Treibhausgasemissionen bis 2050 um mindestens 90 Prozent verglichen mit dem Stand von 1990 senken. Maros Sefcovic, Exekutiv-Vize-Präsident für den europäischen Grünen Deal, sprach von einer strategischen Entscheidung, die es notwendig mache, in eine nachhaltige und weltweit wettbewerbsfähige Wirtschaft zu investieren, in deren Mittelpunkt eine flexible, saubere Industrie steht.
Dieses neue Ziel werde nach der Wahl zum Europäischen Parlament am 09. Juni 20204 die neu gebildete Europäische Kommission mit einem Legislativvorschlag auf den Weg bringen und mit dem Europäischen Parlament und den EU-Mitgliedstaaten abstimmen.
Vorhersehbarkeit und Nachhaltigkeit für Wirtschaft und Gesellschaft
Die Festlegung eines Klimaziels für 2040 soll es der Industrie, Investoren, Bürgerinnen und Bürgern sowie Regierungen in Europa erleichtern, in den kommenden Jahren Entscheidungen zu treffen, die helfen, Kurs auf die angestrebte Klimaneutralität bis 2050 zu halten. Damit sollen nach dem Willen der Europäischen Kommission wichtige Signale gesendet werden, wie die Industrie längerfristig wirksam investieren und planen kann. So soll auch die Resilienz Europas gegenüber künftigen Krisen erhöht werden, insbesondere die Unabhängigkeit der EU von der Einfuhr fossiler Brennstoffe, auf die 2022 - als die EU mit den Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine konfrontiert war - über 4 Prozent des BIP entfielen. In diesem Zusammenhang weist die Europäische Kommission daraufhin, dass die Kosten des Klimawandels und dessen Auswirkungen auf den Menschen laufend zunehmen und zutage treten. Allein die in Europa entstandenen klimabedingten wirtschaftlichen Schäden der vergangenen fünf Jahre werden auf 170 Milliarden Euro geschätzt. In der Folgenabschätzung der Kommission wird festgestellt, dass eine stärkere Erderwärmung infolge von Untätigkeit selbst bei konservativen Annahmen zu einem Rückgang des BIP der EU bis zum Ende des Jahrhunderts um etwa 7 Prozent führen könnte.
Voraussetzungen für die Erreichung des empfohlenen Ziels
Die Europäische Kommission weist daraufhin, dass die Verringerung der Emissionen um 90 Prozent bis 2040 ian eine Reihe grundlegender Voraussetzungen geknüpft ist. Ausgangspunkt sei die vollständige Umsetzung der bestehenden Rechtsvorschriften, wonach die Emissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent zu senken sind. Die derzeitige Aktualisierung der Entwürfe der Energie- und Klimapläne der EU-Mitgliedstaaten stelle ein Schlüsselelement bei der Überwachung der Fortschritte dar, die Kommission arbeite daher mit den EU-Mitgliedstaaten, der Industrie und den Sozialpartnern zusammen, um die erforderlichen Maßnahmen zu erleichtern.
So müsse aus dem Grünen Deal nun ein Deal für die Dekarbonisierung der Industrie hervorgehen, der auf bisherigen industriellen Errungenschaften wie Windkraft, Wasserkraft und Elektrolyseuren aufbaut und die heimischen Produktionskapazitäten in Wachstumssektoren wie Batterien, Elektrofahrzeugen, Wärmepumpen, Fotovoltaik, CO2 -Abscheidung, -Nutzung und -Speicherung, Biogas und Biomethan sowie die Kreislaufwirtschaft weiter stärkt. Dabei sei die Bepreisung von CO2-Emissionen und der Zugang zu Finanzmitteln für die Erreichung der Emissionsreduktionsziele durch die europäische Industrie ebenfalls von entscheidender Bedeutung.
An dieser Stelle betont die Europäische Kommission erneut, dass Fairness, Solidarität und Sozialpolitik beim Übergang weiterhin im Mittelpunkt stehen müssten. Die Klimamaßnahmen müssten für alle Mitglieder der Gesellschaft von Vorteil sein, und die Klimapolitik muss diejenigen berücksichtigen, die am stärksten benachteiligt sind oder durch die Anpassung vor die größten Herausforderungen gestellt werden. Der Klima-Sozialfonds und der Fonds für einen gerechten Übergang sind Beispiele für solche Maßnahmen, die den Bürgerinnen und Bürgern, den Unternehmen und den Beschäftigten bereits in diesem Jahrzehnt helfen werden.
Schließlich sei ein offener Dialog mit allen Interessenträgern eine entscheidende Voraussetzung für die Energiewende. Die Kommission habe bereits förmliche Dialoge mit Interessenträgern aus Industrie und Landwirtschaft aufgenommen, und die politische Debatte, die in den kommenden Monaten in Europa geführt werde, biete sich an, um für öffentliche Teilhabe an den nächsten Schritten und politischen Entscheidungen zu sorgen. Eine solche Öffentlichkeitsarbeit werde der nächsten Europäischen Kommission die Vorlage von Legislativvorschlägen erleichtern, die für die Zeit nach 2030 einen politischen Rahmen schaffen werden, mit dem das Ziel für 2040 auf faire und kosteneffiziente Weise erreicht werden kann.
Dekarbonisierung im Energie- und Verkehrssektor
Nach den Prognosen zufolge, auf die sich die Europäische Kommission stützt, dürfte der Energiesektor kurz nach 2040 vollständig dekarbonisiert sein. Die Kommission habe bereits Strategien festgelegt, um für die rasche Einführung erneuerbarer, nuklearer und anderer CO2-freier und CO2-armer Lösungen, die Förderung der Energieeffizienz und die weitere Elektrifizierung zu sorgen. Die Industrieallianz für kleine modulare Reaktoren, die parallel zur Ausrufung des neuen Ziels ins Leben gerufen wurde, sei die jüngste Initiative zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und zur Sicherung einer starken EU-Lieferkette und qualifizierter Arbeitskräfte. Ein wichtiger Vorteil dieser Bemühungen ist die geringere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, deren Nutzung bis 2040 um 80 % gegenüber 2021 zurückgehen dürfte. Der politische Rahmen für die Zeit nach 2030 werde es ermöglichen, diese Strategien weiterzuentwickeln und durch sozial- und industriepolitische Maßnahmen zu ergänzen, damit die Abkehr von fossilen Brennstoffen reibungslos gelingt.
Im Verkehrssektor dürfte die Dekarbonisierung durch eine Kombination aus technischen Lösungen und CO2-Bepreisung erreicht werden. Für die Emissionen aus dem Straßenverkehr werde bereits ein Rückgang um fast 80 % bis 2040 vorhergesagt. Mit den richtigen Strategien und der richtigen Unterstützung kann nach Ansicht der Europäischen Kommission auch der Agrarsektor ebenfalls eine Rolle beim Übergang spielen und gleichzeitig für eine ausreichende Lebensmittelerzeugung in Europa sorgen, faire Einkommen sichern und andere wesentliche Leistungen erbringen, wie z. B. die Verbesserung der Fähigkeit von Böden und Wäldern, mehr Kohlenstoff zu speichern. Ein ganzheitlicher Dialog mit den landwirtschaftlichen Betrieben und der gesamten Lebensmittelindustrie ist für den Erfolg in diesem Bereich und für die Entwicklung nachhaltiger Methoden und Geschäftsmodelle von entscheidender Bedeutung.
Ein europäisches Konzept für das industrielle Kohlenstoffmanagement
Um die Senkung der derzeitigen Emissionsmengen in den kommenden Jahren zu erreichen würden auch Technologien benötigt, mit denen CO2 abgeschieden oder direkt aus der Atmosphäre entfernt und dann gespeichert oder genutzt werden können. Diese Technologien würden sich auf Sektoren konzentrieren, in denen es besonders schwierig oder kostspielig ist, die Emissionen zu reduzieren, wie z. B. die Prozessemissionen in der Zementindustrie oder bei der Energiegewinnung aus Abfall. Die Kommission habe daher eine Mitteilung zum industriellen Kohlenstoffmanagement angenommen, in der sie im Einzelnen darlegt, wie diese Technologien dazu beitragen könnten, die Emissionen bis 2040 um 90 Prozent zu senken.
Ein Binnenmarkt für CO2
In der Mitteilung wird eine Reihe von Maßnahmen genannt, die auf EU-Ebene und auf nationaler Ebene ergriffen werden müssen, um die Einführung dieser Technologien und der notwendigen Infrastruktur zu ermöglichen, damit in den kommenden Jahrzehnten ein Binnenmarkt für CO2 in Europa entstehen kann. Die Kommission werde mit vorbereitenden Arbeiten für ein mögliches künftiges CO2-Transport- und -Speicherregelungspaket beginnen, in dem Fragen wie Markt- und Kostenstruktur, Zugang Dritter, CO2-Qualitätsstandards oder Investitionsanreize für neue Infrastrukturen behandelt werden sollen. Die Gemeinsame Forschungsstelle (GFS) der Kommission hat einen Bericht über das künftige CO2-Transportnetz für Europa und den damit verbundenen Investitionsbedarf veröffentlicht.
Anrechnung von Abbau und Speicherung im EU-Emissionshandelssystem
Die Kommission werde auch die CO2-Mengen bewerten, die direkt aus der Atmosphäre entfernt werden müssen (industrieller CO2-Abbau), um die Emissionsreduktionsziele der EU für 2040 und 2050 zu erreichen. Dazu gehöre auch eine Bewertung, wie der Abbau und die dauerhafte Speicherung im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems (ETS) angerechnet werden könnten. Um die Ausweitung des Marktes für die Abscheidung und dauerhafte Speicherung von CO2-Emissionen zu unterstützen, werde die Kommission Leitlinien für die Genehmigungsverfahren für Projekte und einen Atlas potenzieller Speicherstätten erstellen. In Zusammenarbeit mit den EU-Mitgliedstaaten werde außerdem ein Aggregationsinstrument entwickelt, um CO2-Lieferanten mit Transport- und Speicherbetreibern sowie CO2-Abnehmern zusammenzubringen.
Die Europäische Kommission will damit einen klaren Rahmen für die Kohlenstoffbilanzierung bei der Nutzung von abgeschiedenem CO2 als Ressource schaffen, der die Klimavorteile der Nutzung von CO2 als Ressource in industriellen Prozessen widerspiegelt. Dies werde dazu beitragen, die Nutzung von nachhaltigem Kohlenstoff in den Industriesektoren zu fördern.