Die Errichtung eines finanziellen Schutz- und Nothilfemechanismus für die Europäische Union - die drei finanziellen Hilfsmechanismen EFSF, EFSM und ESM
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Die temporären Hilfsmechanismen EFSF und EFSM
Nach monatelangen Verhandlungen einigten sich die die Staats- und Regierungschefs der EU im Zuge der Griechenlandkrise auf einen finanziellen Rettungsschirm, der aus zwei Teilen besteht, der Europäischen Finanzstabilisierungsfaszilität (EFSF) und dem Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM). Der Schutzschirm ist temporär und bis zum 30. Juni 2013 befristet, danach wird er vom Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) abgelöst.
Die Europäische Finanzstabilisierungsfaszilität (EFSF)
Die EFSF wurde im Mai 2010 von den EU-Mitgliedern, die zugleich Mitglied in der Eurozone sind, beschlossen und als privatrechtliche Kapitalgesellschaft (nach luxemburgischen Recht) eingerichtet. Der Fonds (Vorstandschef ist Klaus Regling), der seinen Sitz in Luxemburg hat, hatte ursprünglich ein Kreditvolumen in Höhe von 250 Mrd. € und wurde 2011 auf 440 Mrd. € aufgestockt (der maximale Garantierahmen liegt bei 780 Mrd. €). Das Geld leiht sich der Fonds an den Kapitalmärkten und kann bis zum 30. Juni 2013 Kredite an Euro-Staaten vergeben, deren andauernde Wirtschafts- und Finanzprobleme die Stabilität der gesamten Eurozone in Gefahr bringen würde. Die 17 Euro-Länder (Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, Niederlande, Österreich, Spanien, Portugal, Slowenien, Zypern, Malta, Griechenland, Luxemburg, Slowakei, Estland, Finnland und Irland) bürgen für die Begehung der Anleihen und anteilmäßig für deren Rückzahlung gemäß ihrem Anteil am Kapitalschlüssel der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Bundesrepublik Deutschland bürgt für einen Anteil in Höhe von 211 Mrd. €. Durch das gute Rating einiger Euroländer (u.a. Deutschland, Frankreich, Niederlande) kann sich der Fonds das Geld zu günstigen Zinsen leihen. Aus dem EFSF haben bisher Irland (Kreditzusage in Höhe von 17,7 Mrd. €, davon bisher ausgezahlt 12 Mrd. €), Portugal (26 Mrd. €, davon ausbezahlt 19 Mrd. €) und Griechenland (144,6 Mrd. €, davon ausbezahlt 113 Mrd. €) Unterstützung erhalten.
Die betroffenen Euro-Staaten erhalten Kredite nur unter Einhaltung von finanz- und wirtschafspolitischen Auflagen, die zwischen dem Euroland und der sog. "Troika" (Europäische Kommission, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds) vereinbart werden.
Der Europäische Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM)
Der EFSM ist ein weiterer Kreditfonds, ein ebenfalls zeitlich begrenztes Gemeinschaftsinstrument, das von der Europäischen Kommission gespeist wird, d.h. dieser nimmt Geld an den Kapitalmärkten auf und gibt Kredite an die Euroländer weiter. Der Fonds hat ein Kreditvolumen in Höhe von 60 Mrd. €. Der deutsche Beitrag an dem Fonds beträgt 20%, der Fonds hat bisher Teile des Rettungspakets für Irland und Portugal übernommen.
Beide Fonds zusammen haben eine "Rettungskraft" von 500 Mrd. €, diese Summe wird ergänzt durch Kredite des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington, so dass die temporäre Lösung des Rettungsschirms ein Kapitalvolumen von 750 Mrd. € hat.
Beide Rettungsschirme sollen verhindern, dass ein Mitglied der Eurozone aufgrund wirtschafts- und finanzpolitischer Probleme und Engpässe in Liquiditätsschwierigkeiten gerät und dadurch zahlungsunfähig wird. Die unter Konditionen gewährten Kredite sollen durch Geldzufuhr in schwieriger haushaltspolitischer Situation helfen, die notwendigen staatlichen Ausgaben zu sichern und zugleich Raum geben für notwendige Strukturreformen der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes; Ziel ist die Wiederherstellung eines Haushaltsausgleichs, d.h. Einnahmen und Ausgaben sollen sich ausgeglichen gegenüber stehen.
Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM)
Mit dem Überspringen der Banken- und Finanzkrise auf Irland und Portugal (zwischenzeitlich auch Zypern) wurde den Staats- und Regierungschefs bald klar, dass es eines permanenten finanziellen Hilfsmechanismus und Rettungsschirms bedurfte, um auf Dauer die Wirtschafts- und Währungsunion abzusichern und das Vertrauen der Finanzwelt in den Euro wieder herzustellen. Ähnlich dem Vorbild des Internationalen Währungsfonds wurde im Juli 2011 die Errichtung eines permanenten Schutzschirms, des ESM beschlossen und am 02.Februar 2012 unterzeichnet. Das Bundesfinanzministerium betont in den Erläuterungen zum ESM, mit der Errichtung würden institutionelle Lücken in der Architektur der gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsunion beschlossen. Der ESM ist eine internationale Finanzinstitution mit Sitz in Luxemburg (eingerichtet durch völkerrechtlichen Vertrag), dem alle Euro-Mitgliedstaaten angehören. Er verfügt über ein Kapital in Höhe von 700 Mrd. €, davon zahlen die Euroländer 80 Mrd. € ein und erwerben damit einen Anteil am ESM (Deutschland zahlt insgesamt 22 Mrd. € gemäß dem an der EZB gehaltenen Kapital in Höhe von 27,15%) die restlichen 620 Mrd. € werden als Garantien bzw. potential abrufbares Kapital gestellt. Deutschland hat in 2012 bereits zwei Raten seines Kapitalanteils eingezahlt, zwei weitere Raten sollen in 2013 folgen, die letzte Rate ist für 2014 vorgesehen, die restlichen 168 Mrd. € sind Garantien und gegebenenfalls abrufbares Kapital. Nach dem seinerzeitigen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. September 2012 liegt die Haftungsobergrenze für Deutschland bei 190 Mrd. €. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung und wichtig, dass diese zur Verfügung gestellten Summen nicht in die Berechnung der Staatsdefizits (60% des BSP) nach den Maastricht-Kriterien eingehen.
Für die Zeit des parallelen Bestehens von EFSF (bis 30. Juni 2013) und ESM haben die Staats- und Regierungschefs und die Finanzminister der EU-Mitgliedstaaten beschlossen, das maximale, konsolidierte Ausleihvolumen von beiden Fonds auf max. 700 Mrd. € festzusetzen. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass die bereits zugunsten von Irland, Portugal und Griechenland gewilligten Finanzhilfen des EFSF in Höhe von 200 Mrd. € nicht vom Ausleihevolumen des ESM in Abzug gebracht werden sollen; mit der Rückzahlung durch die Kreditnehmer wird dann auch das Ausleihevolumen des ESM wieder auf 500 Mrd. € zurückgeführt.
Funktionsweise des ESM
Das Eingreifen des ESM ist an strenge Bedingungen (Konditionalität) geknüpft, er darf nur seine "Instrumente" einsetzen, wenn:
- das betroffene Euroland schwerwiegende Finanzprobleme hat oder diese drohen
- die Finanzstabilität der Eurozone insgesamt in Gefahr ist
- das betroffene Euroland sich verpflichtet, strikte Auflagen, die gemeinsam zwischen ihm und der "Troika" im Rahmen eines wirtschafts- und finanzpolitischen Reform- und Anpassungsprogramms ("Memorandum of Understanding") vereinbart wurden, einzuhalten.
- wenn das betroffene Euroland den Fiskalvertrag unterzeichnet hat (Frist war der 01.März 2013), mit dem es die Zusage macht, die darin festgelegte Schuldenbremse einzuhalten, d.h. der Haushalt muss ausgeglichen sein oder einen Überschuss ausweisen (siehe hierzu EU-Informationen Juli 2012, Seite 2)
Der ESM wird nur auf Antrag eines von einer Finanzkrise betroffenen Eurolands tätig, d.h. das Land muss von sich aus aktiv werden. Danach folgt in Zusammenarbeit mit der Troika eine "Schuldentragfähigkeitsanalyse" (d.h. kann das Land die Schulden auf Dauer zurückzahlen) und bei voraussichtlicher Zusage der Darlehen ein makroökonomischen "Anpassungsprogramm" (wirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Strukturreformen, z.B. oftmals Steuererhöhungen, Öffnung/Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, Erhöhung Rentenalter). Sollte sich trotz der vorgesehenen Maßnahmen zeigen, dass das Land seine Schulden auf Dauer nicht zurückzahlen kann, gewährt der ESM nur Unterstützung, wenn die Regierung mit ihren Gläubigern einen teilweisen Verzicht von Forderungen vereinbart; die Art und Höhe der Beteiligung der privaten Gläubiger erfolgt für jedes Euroland separat und soll angemessen und verhältnismäßig sein. Die Einhaltung der zugesagten Reformen wird regelmäßig von der Troika geprüft und die weitere Auszahlung von Finanztranchen von Erfolgen bei der Umsetzung abhängig gemacht.
Entscheidungsmechanism des ESM
Die Entscheidungen im Rahmen des ESM werden durch den Gouverneursrat, der sich aus den Finanzministern der 17 Eurostaaten zusammensetzt getroffen, wesentliche Entscheidungen, z.B. die Gewährung von Finanzhilfen, müssen einstimmig gefasst werden. Das deutsche Stimmgewicht beträgt entsprechend dem Anteil Deutschlands am ESM Kapital 27,1464%, so dass wichtige Entscheidungen ohne Zustimmung des deutschen Finanzministers nicht gefällt werden können. Für den laufenden Geschäftsbetrieb ist ein Direktorium zuständig. Das Direktorium erarbeitet z.B. Vereinbarungen mit den technischen Einzelheiten der jeweiligen Finanzhilfe und entscheidet über die Auszahlung der ersten Tranche.
Über das mit dem jeweiligen Euroland vereinbarte Reform- und Anpassungsprogramm müssen abschließend die EU-Staats- und Regierungschefs entscheiden (gemäß dem beschlossenen Verfahren zur haushalts- und wirtschaftspolitischen Überwachung).
Instrumente des ESM
Der ESM hat verschiedene Kriseninterventionsmechanism zur Stabilisierung der Finanzmärkte zur Verfügung. Diese sind:
Vorsorgliche Finanzhilfen
Euroländer, die kurzfristige Finanzierungsschwierigkeiten haben, ansonsten aber einen soliden Haushalt aufweisen, können zur Überwindung Kreditlinien erhalten. Ziel ist, die Entstehung einer Liquiditätslücke und das evtl. Übergreifen der Finanzkrise auf andere Euroländer zu vermeiden. Die Kredite werden nur unter Bedingungen vergeben.
Darlehen
Euroländer mit größeren Wirtschafts- und Finanzproblemen können Darlehen erhalten, Voraussetzung ist auch hier die vertragliche Zusage eines vorher vereinbarten Reform- und Anpassungsprogramms
Primärmarktkäufe
Der ESM kann in Ausnahmefällen neu ausgegebene Staatsanleihen eines Eurolandes auf dem sog. Primärmarkt kaufen, d.h. direkt bei der Ausgabe durch den Staat selbst; so erhöht sich die Nachfrage nach den Papieren und die Zinsen werden niedriger (idealtypisch).
Sekundärmarktkäufe
Ebenfalls in Ausnahmefällen kann der ESM bereits auf dem Markt befindliche Staatsanleihen kaufen, mit dem Ziel, eine ausreichende Liquidität im Anleihemarkt zu gewährleisten. Diese Intervention ist jedoch nur mit "Erlaubnis" der Europäischen Zentralbank möglich, d.h. bei einer festgestellten Gefährdung der Finanzmarktstabilität und auch nur unter strikten Auflagen.
Sowohl Primärmarkt- wie auch Sekundärmarktkäufe sind in den vergangenen beiden Jahren heftig diskutiert worden und sind umstritten, da viele Finanzwissenschaftler die Ansicht vertreten, dass die Europäische Zentralbank an dieser Stelle Aufgaben übernimmt, die gemäß der rechtlichen Vorgaben nicht abgesichert sind (Ziel der EZB ist die Sicherung der Geldwertstabilität des Euro). Der Präsident der EZB hat jedoch immer wieder betont, dass die EZB alles tun werde, um den Euro als Währung zu erhalten; so haben die Aufkaufprogramme in der jüngsten Vergangenheit auch merklich zur Beruhigung der Finanzmärkte beigetragen.
Finanzhilfen zur Rekapitalisierung von Banken
In der Vergangenheit mussten Euroländer aufgrund finanzieller Probleme ihrer Banken Staatsgelder zur Rettung des Bankensystems einsetzen und gerieten dadurch selbst in finanzielle Schwierigkeiten. In solchen Fällen kann der ESM dem Euroland zukünftig Darlehen zur Verfügung stellen, die dieser dann an die Banken weiterleitet; in einem solchen Fall ist der betroffene Eurostaat verantwortlich für die Rückzahlung und für die im Rahmen des Anpassungsprogramms vereinbarten Auflagen (oft sind solche Finanzzusagen mit konkreten Umstrukturierungen oder mit der Verkleinerung/Abwicklung der in Schieflage geratenen Banken verbunden).
In diesem Zusammenhang wurde von Politikern auch die direkte Vergabe von Finanzhilfen an Banken gefordert, die EZB und einige Mitgliedstaaten, darunter Deutschland lehnen dies bisher strikt ab, da der ESM keine Kontroll- und Durchgriffsrechte auf die angeschlagenen Banken hat. Erst mit der für 2014 entstehenden effektiven, europäischen Bankenaufsicht unter dem Dach der EZB soll es auch möglich werden, direkt Darlehen an Banken auszugeben, weil erst dann eine Zusammenführung von Kontrolle und Haftung gewährleistet ist
Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum ESM
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 12. September 2012 höchstrichterlich entschieden, dass der ESM-Vertrag verfassungskonform ist; gleichzeitig hat es bestimmt, dass die Haftung Deutschlands im Rahmen des ESM auf 190 Mrd. € begrenzt bleibt. Außerdem muss die Bundesregierung, wenn die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Bundestages gegeben ist, einen Zustimmungsbeschluss des Bundestages herbeiführen.
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