Ein Donut für den Rhein-Kreis-Neuss
Wie kann der Rhein-Kreis Neuss ein gutes Leben für alle innerhalb der planetaren Grenzen ermöglichen? Für die Antwort auf diese Frage wendet die Kreisverwaltung in Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnerorganisationen das sogenannte Donut-Modell an. Erstmalig in Deutschland wurde dieses Modell mit aktuellen Daten zur Kreisentwicklung gespeist: Im Ergebnis dieser Bestandsaufnahme zeigen sich Stärken und Schwächen der nachhaltigen Entwicklung im Kreis, die wertvolle Hinweise für eine ambitionierte Nachhaltigkeitsstrategie liefern.
Bei der Donut-Ökonomie der Oxford-Ökonomin Kate Raworth handelt es sich um ein wirtschaftswissenschaftliches Modell aus Großbritannien, bei dem die Bedürfnisse aller Menschen innerhalb der natürlichen Grenzen des Planeten befriedigt werden sollen. Der Donut als Kernsymbol der Donut-Ökonomie setzt sich dementsprechend aus einer ökologischen Decke, deren planetare Grenzen nicht überschritten, und einem sozialen Fundament, dessen menschliche Bedürfnisse nicht unbefriedigt bleiben sollen, zusammen. Als erste Kommune weltweit nutzte Amsterdam das Donut-Modell 2020 für die Entwicklung seiner Kreislaufwirtschaftsstrategie; es folgten international etwa 80 Städte und Regionen.
Dem Rhein-Kreis Neuss ist es als erster Kommune Deutschlands gelungen, ein datenbasiertes und lokalspezifisches Donut-Modell nach dem Vorbild der Donut-Ökonomie zu erstellen. Es wurde kollaborativ zwischen dem Rhein-Kreis Neuss, dem Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) und dem NELA.Next Economy Lab entwickelt und mit Mitteln des Bundesumweltministeriums (BMUV) im Projekt „KoMoNa – Kommunale Modellvorhaben zur Umsetzung der ökologischen Nachhaltigkeitsziele in Strukturwandelregionen“ umgesetzt. Das Donut-Modell des Rhein-Kreises Neuss setzt sich aus insgesamt 15 ökologischen, sozialen und ökonomischen Dimensionen zusammen, die in Summe alle für den Rhein-Kreis Neuss und seine Kreisverwaltung relevanten und beeinflussbaren Handlungsfelder der kommunalen Nachhaltigkeit widerspiegeln. So wurden der ökologischen Decke des Donuts die folgenden umweltrelevanten Handlungsfelder zugeordnet:
- Klimaschutz und Energie
- Saubere Luft
- Ressourcenschutz und Kreislaufwirtschaft
- Erhalt der Artenvielfalt
- Klimafolgenanpassung
- Sichere Wasserversorgung
- Nachhaltiges Bauen und Wohnen
Im sozialen Fundament wiederum sind die folgenden sozialen und ökonomischen Handlungsfelder enthalten:
- Lebenslanges Lernen und Kultur
- Gute Arbeit und Nachhaltiges Wirtschaften
- Sicherheit und Frieden
- Globale Verantwortung und Eine Welt
- Soziale Gerechtigkeit und Teilhabe
- Verantwortungsvoller Konsum und Gesundes Leben
- Nachhaltige Verwaltung
Der Donut setzt, im Gegensatz zu anderen Nachhaltigkeitsmodellen, die eigene Entwicklung direkt ins Verhältnis zum einem wünschenswerten sozialen und ökologischen Zustand; Kennzahlen mussten also für den Rhein-Kreis Neuss lokalisiert und bewertet werden. Für die Entwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie war es von besonderem Interesse wie der Rhein-Kreis Neuss im Vergleich zu anderen, vergleichbaren Landkreisen des sog. Kommunaltyps K2.1 (städtisch, wachsend) dasteht bzw. wie es um die Erreichung von Zielvorgaben durch das Land Nordrhein-Westfalen oder übergeordneten Ebenen bestellt ist. Für die 15 verschiedenen Handlungsfelder wurden demnach insgesamt 44 Indikatoren festgelegt, die die einzelnen Handlungsfelder möglichst repräsentativ beschreiben und qualitativ hochwertige Daten über den jeweiligen Zustand liefern können. Ein Großteil dieser Indikatoren wurde von den Globalen Nachhaltigkeitszielen (SDGs) abgeleitet und stammt aus dem sog. SDG-Portal. Bei den Vergleichen handelt es sich überwiegend um Vergleiche zwischen dem Rhein-Kreis Neuss und Durchschnittswerten aus anderen städtischen Kreisen mit wachsender Bevölkerung (keine gesonderte Kennzeichnung der Indikatoren). Indikatoren, die mit einem Sternchen (*) versehen sind, vergleichen die Werte aus dem Rhein-Kreis Neuss mit Durchschnittswerten aus Nordrhein-Westfalen. Sind Indikatoren unterstrichen (_), werden die Werte aus dem Rhein-Kreis Neuss ins Verhältnis zu relevanten Zielvorgaben, bspw. aus der NRW-Nachhaltigkeitsstrategie, gesetzt.
Bei Betrachtung des Donut-Modells für den Rhein-Kreis Neuss wird deutlich, dass viele Aspekte nachhaltiger Entwicklung entweder im Durchschnitt oder sogar übererfüllt sind. Besonders negative Zustände zeigen die Bereiche Klimaschutz und Klimaanpassung (Indikatoren: Treibhausgasemissionen je Einwohnerin bzw. Einwohner, Energieverbrauch und Fließgewässerqualität) sowie die nachhaltige Beschaffung der Kreisverwaltung auf. Gleichzeitig bestehen noch Datenlücken vor allem in den Handlungsfeldern “Globale Verantwortung und Eine Welt” sowie “Lebenslanges Lernen und Kultur”, weshalb in diesem Bereich noch kaum fundierte Aussagen möglich sind. Perspektivisch könnte sich der Rhein-Kreis Neuss z.B. quantitative Ziele in den einzelnen Handlungsfeldern setzen und im Zeitverlauf mit sich selbst vergleichen. Auch wäre es möglich, das Donut-Modell als Entscheidungshilfe für politische Beschlüsse zu nutzen, indem mögliche Zielkonflikte transparent aufgedeckt werden (vgl. Development and Decision Making Wheel der Cornwall Council).