Allgemeinverfügung zur Testung auf SARS-Cov-2 bei Aufnahme in eine Einrichtung der vollstationären Pflege sowie Einrichtung der Eingliederungshilfe im Rhein-Kreis Neuss
Das Gesundheitsamt des Rhein-Kreises Neuss erlässt auf Grundlage von §§ 25 Abs. 1, 3 S. 2 Nr. 1, 28 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1385) geändert worden ist, in Verbindung mit § 3 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Regelung besonderer Handlungsbefugnisse im Rahmen einer epidemischen Lage von nationaler oder landesweiter Tragweite und zur Festlegung der Zuständigkeiten nach dem Infektionsschutzgesetz (Infektionsschutz- und Befugnisgesetz - IfSBG-NRW) vom 14. April 2020 (GV. NRW. 2020. S. 218b) im Wege der Allgemeinverfügung folgende Regelungen:
- Vor Neu- und Wiederaufnahme in einer vollstationären Pflegeeinrichtung, die Leistungen der Dauer- und/oder Kurzzeitpflege erbringen, ist eine Testung auf SARS-CoV-2 in der eigenen Häuslichkeit oder vor Entlassung aus dem Krankenhaus durchzuführen. Diese Testung darf nicht länger als zwei Tage vor Einzug zurückliegen. Ebenso hat eine Testung sechs Tage nach Einzug in der vollstationären Einrichtung zu erfolgen, soweit Personen bei Einzug in die Einrichtung isoliert wurden. Die Testungen gelten als von der unteren Gesundheitsbehörde veranlasst.
- Vor Neuaufnahmen in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe, die besondere Wohnformen für Menschen mit Behinderungen einschließlich Kurzzeitwohneinrichtungen der Eingliederungshilfe sowie Einrichtungen nach §§ 67 ff. des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – (SGB XII) anbieten, ist eine Testung auf SARS-CoV-2 durchzuführen, soweit Neuaufnahmen nicht aus einem Krankenhaus erfolgen. Die Testung gilt als von der unteren Gesundheitsbehörde veranlasst. Die Testung darf nicht länger als zwei Tage vor Einzug zurückliegen.
- Diese Allgemeinverfügung tritt am Tag der Bekanntgabe in Kraft. Die Allgemeinverfügung wird gemäß § 41 Abs. 3 und 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes NRW (VwVfG NRW) öffentlich bekanntgemacht und gilt mit dem auf die Bekanntmachung folgenden Tag als bekanntgegeben. Sie tritt mit Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweise nach § 5 Abs. 1 S. 2 des Infektionsschutzgesetzes außer Kraft, ansonsten spätestens mit Ablauf des 31. März 2021.
- Die für die Durchführung der Tests entstehenden Kosten werden den Leistungserbringern durch das Land Nordrhein-Westfalen und dem Rhein-Kreises Neuss entsprechend Ziffer II. dieser Verfügung erstattet.
Begründung
I.
Diese Allgemeinverfügung erlasse ich als zuständige Behörde gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 IfSBG-NRW.
Rechtsgrundlage für die in dieser Allgemeinverfügung getroffenen Regelungen sind §§ 25 Abs. 1, 3 S. 2 Nr. 1, 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG i. V. m. Ziffer 6 der Allgemeinverfügung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW „Schutz von Pflegeeinrichtungen vor dem Eintrag von SARS-CoV-2-Viren unter Berücksichtigung des Rechts auf Teilhabe und sozialer Kontakte der pflegebedürftigen Menschen“ vom 19. Juni 2020 (CoronaAVPflegeundBesuche) und Ziffer 3.2 der Allgemeinverfügung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW „Schutz von Menschen mit Behinderungen und Personen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten in besonderen Wohnformen der Eingliederungshilfe und Einrichtungen der Sozialhilfe vor dem Eintrag von SARS-CoV-2-Viren unter Berücksichtigung des Rechts auf soziale Teilhabe“ vom 19. Juni 2020 (CoronaAVEGHSozH).
Nach § 25 Abs. 1 IfSG hat das Gesundheitsamt die erforderlichen Ermittlungen anzustellen, insbesondere über Art, Ursache, Ansteckungsquelle und Ausbreitung einer Krankheit, soweit sich ergibt oder anzunehmen ist, dass jemand krank, krankheitsverdächtig, ansteckungsverdächtig oder Ausscheider ist. Hierzu kann das Gesundheitsamt gem. § 25 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 IfSG Untersuchungen und Entnahmen von Untersuchungsmaterial an Erkrankten, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern vornehmen lassen.
Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG trifft dann, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder es sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten.
Gemäß Ziffer 6 letzter Absatz der CoronaAVPflegeundBesuche ist bei Aufnahmen in die Pflegeeinrichtung, auch wenn ein aktuelles negatives Testergebnis vorgelegt wird, nach den Empfehlungen des RKI zunächst eine Isolierung vorzunehmen. Die Dauer dieser Isolierung ist aber durch die Vornahme einer zweiten Testung zum Ende der Inkubationsphase zu begrenzen. Die erste Testung soll nach Möglichkeit auf Veranlassung der unteren Gesundheitsbehörde bereits in der eigenen Häuslichkeit oder vor Entlassung aus dem Krankenhaus durchgeführt werden.
Gemäß Mitteilung des MAGS NRW vom 22. Juni 2020 sind alle Personen, die neu oder wieder in eine Pflegeeinrichtung aufgenommen werden, auf Veranlassung der unteren Gesundheitsbehörde vor Aufnahme sowie zum Ende der Isolation zu testen.
Gemäß Ziffer 3.2 der CoronaAVEGHSozH ist bei Neuaufnahmen in Einrichtungen, die nicht aus einem Krankenhaus erfolgen, eine Testung entsprechend der Handreichung für den öffentlichen Gesundheitsdienst des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales Nordrhein-Westfalen für Testungen auf SARS-CoV-2 auf Veranlassung der unteren Gesundheitsbehörde vorzunehmen. Das negative Testergebnis ist der aufnehmenden Einrichtung vor der Aufnahme vorzulegen. Liegt nach PCR-Befund eine SARS-CoV-2-Infektion vor, kann keine Aufnahme in eine Einrichtung erfolgen. Sollte bei Wohnungslosigkeit kein Verbleib in der eigenen Häuslichkeit bis zum Vorliegen des Testergebnisses möglich sein, ist zumindest die Testung vor der Aufnahme vorzunehmen.
Das SARS-CoV-2-Virus breitet sich in Deutschland, Europa und weltweit aus und ist von der WHO zu einer Pandemie erklärt werden. Die Zahl der Fälle in Deutschland steigt weiter an, so dass es sich um eine sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation handelt. Die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland schätzt das Robert Koch-Institut seit dem 17.03.2020 als hoch, für Risikogruppen sogar als sehr hoch ein.
Bewohner der vollstationären Pflegeeinrichtungen sowie Bewohner der Einrichtungen der Eingliederungshilfe gehören aufgrund ihres Alters und /oder ihrer Vorerkrankungen zur Risikogruppe. Sie unterliegen dem erhöhten Risiko, einen schweren bis tödlichen Krankheitsverlauf zu erleiden, sollten sie an COVID-19 erkranken. Insbesondere die gemeinsame räumliche Unterbringung, die Teilnahme an gemeinsamen Aktivitäten und der physische Kontakt bei pflegerischen Tätigkeiten bedingen ein erhöhtes Infektionsrisiko innerhalb der jeweiligen Einrichtung. Um diese anfällige Personengruppe bestmöglich zu schützen, sind die in Ziffer 1 und 2 aufgeführten Testungen auf Veranlassung des Gesundheitsamtes im Gebiet des Rhein-Kreises Neuss durchzuführen. Ziel ist es, das Risiko eines Vireneintritts des SAR-CoV-2-Virus in Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen der Eingliederungshilfe zu minimieren.
Da die Bewohnerinnen und Bewohner der vollstationären Pflegeeinrichtungen bei Neu- und Wiederaufnahme darüber hinaus an den Folgen einer Isolation erheblich leiden, ist die Isolationsdauer durch Vornahme einer zweiten Testung zum Ende der Inkubationsphase zu begrenzen. Die Isolation sollte nicht länger dauern als erforderlich. Gleichzeitig verschafft die zweite Testung in Bezug auf das Bestehen einer Infektion mit dem SARS-CoV-2- Virus weitgehend Gewissheit. Das Robert Koch-Institut geht aktuell von einer Inkubationsphase von 5-6 Tagen aus.
Mildere, gleich geeignete Mittel zur Prävention und Vermeidung der Weiterverbreitung des SARS-CoV- 2-Viruses innerhalb vollstationärer Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen der Eingliederungshilfe stehen nicht zur Verfügung. Die in Ziffer 1 und 2 getroffenen Maßnahmen sind angemessen und erforderlich, da sie dem Schutz von Leib und Leben dienen.
Diese Allgemeinverfügung ist für eine einheitliche Vorgehensweise im gesamten Zuständigkeitsbereich des Rhein-Kreises Neuss notwendig.
Sie stellt die erforderliche Veranlassung der unteren Gesundheitsbehörde dar und rechtfertigt insofern auch zur Abrechnung der Laborkosten gegenüber Kassenärztlichen Vereinigung gemäß der Verordnung zum Anspruch auf bestimmte Testungen für den Nachweis des Vorliegens einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vom 8. Juni 2020 (BAnz AT 09.06.2020 V1) (SARSCoV2IfTestAnsprV).
Diese Allgemeinverfügung stellt auch die erforderliche Veranlassung der unteren Gesundheitsbehörde dar zur Abrechnung von Abstrichentnahmen gemäß dem Rahmenvertrag zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen, der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen Lippe, dem Städtetag Nordrhein-Westfalen sowie dem Landkreistag Nordrhein-Westfalen
e.V. vom 23. Juli 2020 über die mögliche Beauftragung zur Durchführung, Abrechnung und Vergütung der Abstrichentnahmen asymptomatischer Personen im Zuständigkeitsbereich der Kassenärztlichen Vereinigungen, der im Rahmen von durch den öffentlichen Gesundheitsdienst veranlassten Testungen gemäß der Verordnung zum Anspruch auf bestimmte Testungen für den Nachweis des Vorliegens einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vom 8. Juni 2020 gilt.
II.
Leistungserbringer der Kassenärztlichen Vereinigung i.S.d. § 3 der Rahmenvereinbarung zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen, der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen Lippe, dem Städtetag Nordrhein-Westfalen sowie dem Landkreistag Nordrhein- Westfalen e.V. vom 23. Juli 2020 rechnen die gemäß Ziffer 1 und 2 erbrachten Testungen über die
Kassenärztliche Vereinigung mittels eigener Praxisverwaltungssoftware ab. Anderweitige Leistungserbringer rechnen ihre Leistungen unter Verwendung des Musters OEGD bzw. des Übergangs-Musters OEGD ab. Die Vergütung der anderweitigen Leistungserbringer entspricht der in
§ 6 der Rahmenvereinbarung zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen, der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen Lippe, dem Städtetag Nordrhein- Westfalen sowie dem Landkreistag Nordrhein-Westfalen e.V. vom 23. Juli 2020 normierten Vergütung.
Nach § 17 IfSBG-NRW und § 25 Abs. 2 S. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 8 IfSG hat eine Anfechtungsklage gegen diese Allgemeinverfügung keine aufschiebende Wirkung.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Klage beim Verwaltungsgericht Düsseldorf, Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf, erhoben werden.
Veröffentlicht am: 17.08.2020 11:01 Uhr