Tierseuchenverfügung (Allgemeinverfügung) zum Verbot der freiwilligen Impfung gegen die Bovine Virus Diarrhoe (BVD)
Tiere |
Aufgrund
- der Verordnung (EU) 2016/429 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 9. März 2016 zu Tierseuchen und zur Änderung und Aufhebung einiger Rechtsakte im Bereich der Tiergesundheit („Tiergesundheitsrecht“),
- der Delegierten Verordnung (EU) 2020/689 zur Ergänzung der Verordnung (EU) 2016/429 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich Vorschriften betreffend Überwachung, Tilgungsprogramme und den Status „seuchenfrei“ für bestimmte gelistete und neu auftretende Seuchen (VO (EU) 2020/689),
- der Verordnung zum Schutz der Rinder vor einer Infektion mit dem Bovinen Virusdiarrhoe-Virus (BVDV-Verordnung) in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Juni 2016 (BGBl. I S. 1483)
- des § 1 der Verordnung über Zuständigkeiten im Anwendungsbereich des Tiergesundheitsgesetzes und des Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetzes sowie zur Übertragung von Ermächtigungen zum Erlass von Tierseuchenverordnungen (Zuständigkeitsverordnung Tiergesundheit und Tierische Nebenprodukte - ZustVO TierGesG TierNebG NRW) vom 27. Februar 1996 und
- des Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG. NRW.) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. November 1999,
jeweils in der geltenden Fassung wird die freiwillige Impfung gegen die Bovine Virus Diarrhoe (BVD) ab dem 01.02.2022 gemäß Artikel 46 Absatz 1 Satz 2 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2016/429 in Verbindung mit § 2 Absatz 1 Nummer 2 der BVDV-Verordnung im gesamten Gebiet des Rhein-Kreises Neuss verboten.
Diese Allgemeinverfügung tritt am Tage nach der Veröffentlichung in Kraft.
Begründung:
Die Bovine Virus Diarrhoe (BVD) ist eine Rinderkrankheit, die weltweit vorkommt und zu den verlustreichsten Virusinfektionen bei Rindern zählt. Bei der Erkrankung handelt es sich nach der Durchführungsverordnung (EU) 2018/1882 um eine Tierseuche der Kategorie C. Die Mitgliedstaaten, in denen die BVD relevant ist, sind verpflichtet Maßnahmen zu ergreifen, um eine Ausbreitung der Tierseuche in seuchenfreie Gebiete oder Gebiete mit einem BVD-Tilgungsprogramm zu verhindern.
Nordrhein-Westfalen hat aufgrund des bisherigen Fortschritts bei der Bekämpfung der BVD bei der Europäischen Union die Genehmigung eines Tilgungsprogramms gemäß Artikel 31 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2016/429 beantragt. Ziel dieses Tilgungsprogramms ist, dass Nordrhein-Westfalen der Status „frei von BVD in Bezug auf gehaltene Rinder“ gewährt wird. Die Voraussetzungen für die Gewährung des Seuchenfreiheitsstatus für eine Zone, wie z. B. Nordrhein-Westfalen, sind in Anhang IV Teil VI Kapitel 2 Abschnitt 1 der Delegierten Verordnung 2020/689 festgelegt:
a) Die Impfung gegen BVD für gehaltene Rinder ist verboten.
b) Mindestens während der vorhergehenden 18 Monate wurde kein Fall von BVD bei einem gehaltenen Rind bestätigt.
c) Mindestens 99,8 % der Betriebe, die mindestens 99,9 % der Rinderpopulation repräsentieren,
sind frei von BVD.
In Bezug auf die Voraussetzung gemäß Buchstabe c) müssen die Vorgaben für den Status „frei von BVD“ auf Ebene des einzelnen Betriebs gemäß des Anhangs IV Teil VI Kapitel 1 Abschnitt 1 (Gewährung Status) bzw. Abschnitt 2 (Aufrechterhaltung Status) der Delegierten Verordnung 2020/689 beachtet werden. Demnach führt die Impfung gegen BVD dazu, dass der Betrieb keinen Freiheitsstatus erlangen kann bzw. nicht länger als „frei von BVD“ gilt.
Im Übrigen gelten für geimpfte Tiere auch Verbringungsbeschränkungen. Gemäß des Anhangs IV Teil VI Kapitel 1 Abschnitt 2 Nummer 1. d) der oben genannten Verordnung dürfen in Betriebe, die in einem BVD-freien Mitgliedstaat oder einer solchen Zone liegen, nur Rinder eingestellt werden, die nicht gegen BVD geimpft wurden.
Gemäß § 2 Absatz 1 Nummer 2 der BVDV-Verordnung kann die zuständige Behörde die Impfung eines Rindes oder der Rinder eines bestimmten Gebietes gegen die BVDV-Infektion verbieten, soweit Belange der Tierseuchenbekämpfung nicht entgegenstehen.
Dem Impfverbot stehen keine Belange der Tierseuchenbekämpfung entgegen. In Anbetracht des erreichten Standes der Tilgung der Tierseuche ist eine Impfung für einen Abschluss des Tilgungsverfahrens und zur Inanspruchnahme weiterer Schutzgarantien nicht zielführend. Die mit einer Impfung verbundene Unsicherheit in Bezug auf die Virusfreiheit stellt bei der Vielzahl der Kontaktmöglichkeiten im Viehverkehr ein nicht vertretbares Risiko für die BVDV-freie Rinderpopulation dar. Eine Einschleppung von BVDV wird auch dadurch verhindert, dass ausschließlich BVDV-unverdächtige Rinder in Bestände verbracht werden dürfen. Neuinfektionen werden in erster Linie auf den Zukauf von nicht-virusfreien Tieren zurückgeführt. Eine vorbeugende Schutzimpfung von Rindern gegen die BVDV-Infektion ist deshalb entbehrlich.
Die angeordneten Maßnahmen verstoßen auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie verfolgen in erster Linie den Zweck der Förderung der Tiergesundheit, der Verhinderung von Reinfektionen und der Verhinderung volkswirtschaftlicher Schäden und dienen damit dem öffentlichen Interesse.
Zur Verfolgung dieser Zwecke ist das Impfverbot eine geeignete Maßnahme, um den Anteil nicht geimpfter BVDV-freier Tiere innerhalb der Rinderpopulation kontinuierlich zu erhöhen und wesentliche Voraussetzung zur Gewährung des Status „frei von BVD in Bezug auf gehaltene Rinder“ auf Grundlage der Delegierten Verordnung (EU) 2020/689 der Kommission. Um eine Anerkennung durch die Kommission zu erreichen, ist das Impfverbot zudem erforderlich, da Anhang IV Teil VI Kapitel 2 Abschnitt 1 der Delegierten Verordnung 2020/689 ein Impfverbot als Voraussetzung für Anerkennung und auch Aufrechterhaltung des Status vorschreibt.
Das Impfverbot ist ferner angemessen, da das öffentliche Interesse an der Bekämpfung der Seuche das Interesse der Rinderhalter am freien Bestimmungswillen über ihr Eigentum überwiegt. Eine BVDV-Infektion kann zu massiven klinischen Erscheinungen und damit wirtschaftlichen Einbußen führen. Auch die erforderlichen seuchenprophylaktischen Maßnahmen zum Schutz der Betriebe, die die BVD getilgt haben, vor Reinfektionen bedeuten für diese Unternehmen nicht unerhebliche wirtschaftliche Aufwendungen für Biosicherheitsmaßnahmen. Hieraus ergibt sich, dass das öffentliche Interesse an den angeordneten Maßnahmen die Interessen der dadurch betroffenen Tierhalter am freien Bestimmungswillen über ihr Eigentum überwiegt. Dem Interesse der betroffenen Tierhalter, mit ihren Tieren nach Belieben verfahren zu können, stehen mögliche erhebliche wirtschaftliche Schäden, der Schutz der freien Bestände und die Tiergesundheit als zwingende Gründe gegenüber. Zudem dienen die angeordneten Maßnahmen dazu, die Anerkennung als BVDV-freie Zone zu erreichen. Damit geht wegen des höheren Tiergesundheitsstandards der Rinder eine Verbesserung der Handelsmöglichkeiten für alle Tierhalter einher. Da dies allen Rinderhaltern zugutekommt, dienen die Maßnahmen letztlich auch den Interessen der von den Maßnahmen betroffenen Tierhalter.
Allgemeine Hinweise:
Anzeigepflicht: Jeder Verdacht der Erkrankung auf BVD ist dem Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt des Rhein-Kreises Neuss unverzüglich anzuzeigen.
In Rinder haltenden Betrieben, die als BVD-infiziert gelten, können Impfungen gegen BVD im Rahmen der Seuchenbekämpfung weiterhin angeordnet werden.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Klage erhoben werden. Die Klage ist beim Verwaltungsgericht Düsseldorf, Bastionstr. 39, 40213 Düsseldorf, schriftlich einzureichen oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erklären. Die Klage kann auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts erhoben werden. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Es muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 55a Absatz 4 VwGO eingereicht werden. Die für die Übermittlung und Bearbeitung geeigneten technischen Rahmenbedingungen bestimmen sich nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) vom 24. November 2017 (BGBl. I S. 3803).
Weitere Informationen zum elektronischen Rechtsverkehr erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.
Neuss/Grevenbroich, den 04. März 2022
Der Landrat
gez.
Hans-Jürgen Petrauschke
Bekanntmachungsanordnung:
Die vorstehende Tierseuchenverfügung wird hiermit öffentlich bekanntgemacht.
Hinweis:
Gemäß § 5 Absatz 6 der Kreisordnung für das Land Nordrhein-Westfalen kann die Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften der Kreisordnung für das Land Nordrhein-Westfalen gegen die vorstehende Verfügung nach Ablauf von sechs Monaten seit ihrer Verkündung nicht mehr geltend gemacht werden, es sei denn
- eine vorgeschriebene Genehmigung fehlt oder ein vorgeschriebenes Anzeigeverfahren wurde nicht durchgeführt,
- die Allgemeinverfügung ist nicht ordnungsgemäß öffentlich bekannt gemacht worden,
- der Form- oder Verfahrensmangel ist gegenüber dem Kreis vorher gerügt und dabei die verletzte Rechtsvorschrift und die Tatsache bezeichnet worden, die den Mangel ergibt.
Neuss/Grevenbroich, den 04. März 2022
gez.
Hans-Jürgen Petrauschke
Landrat
Veröffentlicht am: 08.03.2022 15:39 Uhr